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Arbeitsrecht

Kündigungen: Erst Leiharbeitnehmer kündigen, dann Stammmitarbeiter

| Ein Arbeitgeber muss zunächst den bisher fortlaufend beschäftigten Leiharbeitskräften kündigen. Erst dann darf er den Stammbeschäftigten aus betriebsbedingten Gründen kündigen. Hält er sich nicht an diese Vorgehensweise, sind betriebsbedingte Kündigungen unwirksam. So entschied es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |

Was war geschehen? Ein Arbeitgeber hatte einen Personalüberschuss. Aus diesem Grund kündigte er u. a. den Klägern, die zur Stammbelegschaft gehörten. Sie wehrten sich dagegen. Ihr Argument: Der Arbeitgeber hatte bereits ca. zwei Jahre, bevor die Kündigungen ausgesprochen wurden, dauerhaft mit nur kurzen Unterbrechungen sechs Zeitarbeitskräfte beschäftigt. Sie verlangten, dass zunächst diesen Zeitarbeitskräften gekündigt werde.

Die Kläger fanden sowohl beim Arbeitsgericht (ArbG) als auch beim LAG Gehör. Die Gerichte bewerteten die Kündigung als unwirksam. Denn im Kündigungszeitpunkt gab es eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit für die Kläger. Die Beklagte hat im Kündigungszeitpunkt einen dauerhaft bestehenden Arbeitsbedarf gehabt, den sie dem Kläger hätte zuweisen können. Die Leiharbeitnehmer seien auch keine bloße Personalreserve gewesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen.

Quelle | LAG Köln, Urteile vom 2.9.2020, 5 Sa 14/20, Abruf-Nr. 218705 unter www.iww.de; 5 Sa 295/20, Abruf-Nr. 218708 unter www.iww.de

Krankengeld: Ein-Wochen-Frist bei der Krankmeldung: Das ist zu beachten

| Regelmäßig zahlt die Krankenkasse kein Krankengeld, wenn ihr die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU) nicht rechtzeitig vorlag. Der Arbeitnehmer trägt aber keine Schuld, wenn sein Arzt kurzfristig einen Termin verschiebt und die Bescheinigung deshalb verspätet zugeht. Das hat das Sozialgericht (SG) München entschieden. |

Der Arbeitnehmer (Kläger) war arbeitsunfähig geschrieben und erhielt Krankengeld. Er suchte seinen behandelnden Klinikarzt auf, um eine weitere AU-Bescheinigung zu erhalten. Dessen Termine hatten sich jedoch an diesem Tag verschoben, sodass der Kläger erst um 17 Uhr statt wie vorgesehen um 16 Uhr mit dem Arzt sprechen konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schreibkräfte nicht mehr anwesend. Daher stellte der Arzt die AU-Bescheinigung nicht am selben Tag aus. Der Kläger erhielt die Bescheinigung vielmehr erst fünf Tage später per Post zugeschickt. Er leitete die Bescheinigung sofort an seine Krankenkasse (Beklagte) weiter. Diese zahlte kein Krankengeld, da die Bescheinigung nicht innerhalb einer Woche bei ihr eingegangen sei. Das SG hat den Anspruch auf Krankengeld bestätigt. Der Kläger habe die Frist eingehalten.

Eine Krankenkasse kann sich nicht auf einen verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste. Hier hatte die Beklagte diese Bescheinigung nicht am Tag der Untersuchung, sondern erst mit fünftägiger Verspätung erhalten. Dies könne jedoch nicht dem Kläger angelastet werden. Krankenkassen müssten sicherstellen, dass Ärzte als Leistungserbringer AU-Bescheinigungen unverzüglich aushändigen, so das SG.

Gegenüber dem Leistungserbringer habe die Krankenkasse zudem Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten, die ein Versicherter nicht habe. Keinesfalls darf die Krankenkasse die Ein-Wochen-Frist „kürzen“, indem sie auf den Tag der Untersuchung abstellt und nicht auf den Tag, an dem die AU-Bescheinigung dem Versicherten auch ausgehändigt wird bzw. zugeht.

Quelle | SG München, Urteil vom 17.6.2020, S 7 KR 1719/19, Abruf-Nr. 216664 unter www.iww.de

Verbeamtete Lehrerin: Spirituelle Lebensberaterin ohne Nebentätigkeitsgenehmigung

| Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden: Eine Lehrerin darf ohne Nebentätigkeitsgenehmigung nicht entgeltlich als spirituelle Lebensberaterin tätig sein. Eine Genehmigung für die Vergangenheit muss sie hierfür allerdings nachträglich nicht mehr beantragen. Sie hat ihrem Dienstherrn auch Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu geben. |

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin verbeamtete Lehrerin eines Berliner Gymnasiums. Gegen sie wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass sie ohne Nebentätigkeitsgenehmigung auf verschiedenen Internetplattformen, die unter anderem eine „seriöse und professionelle Zukunftsdeutung“ anbieten, entgeltlich spirituelle Beratungen offerierte. Die Senatsverwaltung forderte die Klägerin mit zwei Bescheiden auf, diese Beratertätigkeit einzustellen und für die Vergangenheit noch eine Genehmigung zu beantragen sowie Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu erteilen.

Dies wollte die Klägerin nicht hinnehmen. Sie bestritt die ihr vorgeworfene Beratungstätigkeit. Allenfalls zeitweilig habe sie als Beraterin gewirkt, aktuell jedoch nicht mehr. Sie bestätigte, zwei Bücher publizieren zu wollen, was sie jedoch nicht als Nebentätigkeit ansah, sondern als eine bloße Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Kommunikation „teilweise außerhalb des logischen Systems“.

Die Weisungen seien im Wesentlichen nicht zu beanstanden, so das VG Berlin. Es gebe keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin Beratungsleistungen im Internet gegen Entgelt auch heute noch erbringt. Eine solche Tätigkeit sei genehmigungspflichtig. Ohne eine Genehmigung dürfe der Dienstherr der Klägerin die Tätigkeit untersagen. Auch die Weisung, Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten offenzulegen, sei rechtmäßig. Schriftstellerische Tätigkeiten seien zwar nicht genehmigungs-, aber anzeigepflichtig, falls hierfür ein Entgelt oder geldwerter Vorteil geleistet werde. Vorliegend habe es für die Senatsverwaltung einen begründeten Anlass gegeben, die Anzeigepflicht dieser Tätigkeit zu prüfen. Lediglich die Weisung, für die Vergangenheit eine Genehmigung zu beantragen, sei rechtswidrig.

Gegen das Urteil ist bereits Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt worden.

Quelle | VG Berlin, Urteil vom 22.7.2020, VG 5 K 95.17, Abruf-Nr. 218345 unter www.iww.de; PM vom 18.8.2020

Ungleichbehandlung: Aufforderung zur Angabe der Konfession in Stellenanzeige

| Wird der Bewerber in einer Stellenanzeige dazu aufgefordert, seine Konfession anzugeben, kann dies ein ausreichendes Indiz für einen Verstoß (unterschiedliche Behandlung wegen der Religion) nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sein. So hat es nun das Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe entschieden. |

Es ging um die Stellenanzeige in Bezug auf eine Sekretariatsstelle im Büro einer geschäftsleitenden Oberkirchenrätin. Die Klägerin hatte angegeben, konfessionslos zu sein. Sie war bei der Besetzung der Stelle nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin wurde, so das ArbG, wegen ihrer Religion benachteiligt. Eine berufliche Anforderung hier: Angehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft wäre nur gerechtfertigt gewesen, wenn sie angesichts des Ethos der Kirche und der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Erbringung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Die Beweislast hierfür trägt der Arbeitgeber.

Hier ging es jedoch (lediglich) um eine Mitarbeit im Sekretariat. Die Klägerin hätte die Beklagte also nicht in ihren Glaubensgrundsätzen und in Fragen der Verkündigung oder des Selbstverständnisses der Kirche vertreten (sog. verkündungsferne Tätigkeit). Am Ende musste die Beklagte der Klägerin über 5.000 EUR als Entschädigung zahlen.

Quelle | ArbG Karlsruhe, Urteil vom 18.9.2020, 1 Ca 171/19, Abruf-Nr. 218344 unter www.iww.de

Pflichtverletzung: Rechnungen besser genau prüfen

| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat jetzt verdeutlicht: Ein Arbeitnehmer, der eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig zeichnet, ohne dies geprüft zu haben bzw. in dem Wissen, dass dieses nicht zutrifft, haftet für einen Schaden, der durch die Begleichung der Rechnungssumme entsteht. |

Im Streitfall ging es um eine aufaddierte Rechnungssumme von über 260.000 Euro im Baugewerbe, die trotz eines sog. Vier-Augen-Prinzips im betrieblichen Ablauf beglichen wurde, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht wurden. Das Arbeitsgericht (AG) Stralsund als Vorinstanz erkannte eine Schadenersatzsumme von rund 170.000 Euro an.

Im vorliegenden Fall erfülle das Verhalten des Arbeitnehmers zumindest die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, die regelmäßig eine volle Haftung bewirke, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.5.2020, 2 Sa 180/19, Abruf-Nr. 217873 unter www.iww.de

Disziplinarmaßnahme: Vorläufige Dienstenthebung nach Weitergabevon Dienstgeheimnissen

| Wenn ein Polizeibeamter Dienstgeheimnisse an die Presse weitergibt, muss er mit der vorläufigen Enthebung aus dem Dienst und mit späterer Entfernung rechnen, so das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig, da es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen handelt. |

Im vorliegenden Fall bestand für das Gericht hinreichender Tatverdacht, dass ein Polizeibeamter Informationen bezüglich der Entlassung eines als gefährlich eingestuften Strafgefangenen und die in diesem Zusammenhang getroffenen Schutzmaßnahmen sowie Informationen bezüglich einer bevorstehenden Entlassung eines Polizeianwärters unberechtigt an einen Zeitungsredakteur weitergegeben hatte. Dieser hatte die Informationen anschließend veröffentlicht.

Das OVG hat damit die Entscheidung des Innenministeriums bestätigt, einen Polizeioberkommissar und ehemaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden und Pressesprecher einer Polizeigewerkschaft vorläufig des Dienstes zu entheben.

Da die genannten Handlungen strafrechtlich mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bewehrt seien, sei disziplinarrechtlich auch die Höchstmaßnahme Entfernung aus dem Dienst möglich und im konkreten Fall auch überwiegend wahrscheinlich.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Quelle | OVG Schleswig, Beschluss vom 21.8.2020, Az. 14 MB 1/20, Abruf-Nr. 217753 unter www.iww.de; PM vom 26.8.2020

Arbeitnehmerrechte: Nachschieben von Kündigungsgründen nicht immer möglich

| Bei Kündigungsstreitigkeiten ist das Nachschieben von Kündigungsgründen sehr beliebt. Die kann sich aber auch als Falle erweisen. Das zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln. |

In dem Fall war ein schwerbehinderter Arbeitnehmer betroffen. Das LAG machte deutlich, dass hier Kündigungsgründe nicht nachgeschoben werden können. Dies scheitere daran, dass diese Kündigungsgründe dem Integrationsamt regelmäßig vorher nicht mitgeteilt wurden.

Beachten Sie | Die Anhörung des Integrationsamts ist anders als die Betriebsratsanhörung nicht nachholbar.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 15.7.2020, 3 Sa 736/19, Abruf-Nr. 217594 unter www.iww.de

Arbeitszeitverringerung: Auch eine Gewerkschaft muss Arbeitnehmerrechte anerkennen

| Durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zog jetzt die Gewerkschaft der Lokführer (GDL), weil sie dem Wunsch einer GDL-Mitarbeiterin, die Arbeitszeit zu verringern, nicht entsprechen wollte. |

Im Streitfall berief sich die Gewerkschaft auf sog. betriebliche Gründe, die dem Wunsch der Arbeitnehmerin entgegenstünden. Diese liegen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz vor, wenn „die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht“.

Die GDL sah ihre Organisationsfreiheit verletzt. Es war hier jedoch nicht ersichtlich, dass die Gewerkschaft durch die angestrebte Arbeitszeitverringerung einer Mitarbeiterin wesentliche Einschränkungen zu erwarten hätte, wie die Gefahr, Mitglieder zu verlieren, Tarifverträge nicht abschließen oder Arbeitskämpfe nicht mehr durchführen zu können, also in ihren Rechten als Koalition eingeschränkt zu werden, oder gewerkschaftliche Rechtsberatung nicht mehr erteilen zu können.

Quelle | BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29.7.2020, 1 BvR 1902/19, Abruf-Nr. 217754 unter www.iww.de

Erfolglose Bewerbung: Kopftuchverbot im Schulunterricht – Benachteiligungwegen der Religionszugehörigkeit

| Der sogenannte Kopftuchstreit beschäftigt regelmäßig die Gerichte aller Instanzen. Einheitliche Regeln für alle Bundesländer gibt es nicht. Das Land Berlin kann sich zwar auf ein eigenes Neutralitätsgesetz mit einem Pauschalverbot für Kopftücher berufen, doch dies half hier nicht weiter. |

Sachverhalt

Die Klägerin ist Diplom-Informatikerin. Sie bezeichnet sich als gläubige Muslima und trägt als Ausdruck ihrer Glaubensüberzeugung ein Kopftuch. Die Klägerin bewarb sich beim beklagten Land im Rahmen eines Quereinstiegs mit berufsbegleitendem Referendariat für eine Beschäftigung als Lehrerin in den Fächern Informatik und Mathematik in der Integrierten Sekundarschule, dem Gymnasium oder der Beruflichen Schule.

Das beklagte Land lud sie zu einem Bewerbungsgespräch ein. Im Anschluss an dieses Gespräch, bei dem die Klägerin ein Kopftuch trug, sprach sie ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz an. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen.

Nachdem ihre Bewerbung erfolglos geblieben war, nahm die Klägerin das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Anspruch. Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen ihrer Religion benachteiligt. Zur Rechtfertigung dieser Benachteiligung könne das beklagte Land sich nicht auf das Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Das darin geregelte pauschale Verbot, innerhalb des Dienstes ein muslimisches Kopftuch zu tragen, verstoße gegen die grundgesetzlich geschützte Glaubensfreiheit.

Während das Arbeitsgericht (AG) zunächst die Klage abgewiesen hat, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) das Land Berlin verurteilt, eine Entschädigung zu zahlen (rund 5.000 Euro). Gegen diese Entscheidung hat das beklagte Land Revision eingelegt, mit der es sein Begehren nach Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt, mit der sie eine höhere Entschädigung begehrt.

So argumentiert das Land

Das beklagte Land hat argumentiert, die im Berliner Neutralitätsgesetz geregelte Pflicht der Lehrkräfte, im Dienst keine auffallenden religiös geprägten Kleidungsstücke zu tragen, stelle eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar. Angesichts der vielen Nationalitäten und Religionen, die in der Stadt vertreten seien, sei eine strikte Neutralität im Unterricht aus präventiven Gründen erforderlich; eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität sei nicht nachzuweisen.

So argumentiert das Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat der Klägerin die o. g. Entschädigung zugesprochen. Das beklagte Land habe gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Die Klägerin hat als erfolglose Bewerberin eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des AGG erfahren. Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle die Klägerin im Anschluss an das Bewerbungsgespräch auf die Rechtslage nach dem sog. Berliner Neutralitätsgesetz angesprochen und die Klägerin daraufhin erklärt hat, sie werde das Kopftuch auch im Unterricht nicht ablegen, begründet die Vermutung, dass die Klägerin wegen der Religion benachteiligt wurde. Diese Vermutung habe das beklagte Land nicht widerlegt. Hier handele es sich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit, sofern das Tragen des Kopftuchs, wie hier nachvollziehbar, auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist.

Das Berliner Neutralitätsgesetz sei in diesen Fällen daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Verbot des Tragens eines sog. islamischen Kopftuchs nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Eine solche konkrete Gefahr für diese Schutzgüter habe das beklagte Land nicht dargestellt.

Quelle | BAG, Urteil vom 27.8.2019, 8 AZR 62/19 Abruf-Nr. 217755 unter www.iww.de; PM Nr. 28/20 vom 27.8.2020

Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Mindestlohn soll bis 2022 in vier Stufen steigen

| Der gesetzliche Mindestlohn (derzeit 9,35 EUR brutto je Zeitstunde) soll nach der Empfehlung der Mindestlohnkommission ab 2021 stufenweise erhöht werden, um den Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern. |

In die Mindestlohnfindung fließen Daten von tariflichen Stundenverdiensten ohne Sonderzahlungen aus dem Tarifindex des Statistischen Bundesamts ein. Die Kommission hat darauf Wert gelegt, Lohnkostensteigerungen für die betroffenen Betriebe vor dem Hintergrund der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise tragfähig zu gestalten.

Der gesetzliche Mindestlohn soll demnach wie folgt steigen:

  • zum 1.1.2021 auf 9,50 EUR
  • zum 1.7.2021 auf 9,60 EUR
  • zum 1.1.2022 auf 9,82 EUR
  • zum 1.7.2022 auf 10,45 EUR

Beachten Sie | Die Bundesregierung muss die Erhöhung noch per Rechtsverordnung umsetzen.

Quelle | Mindestlohnkommission, Dritter Beschluss vom 30.6.2020, abrufbar unter www.iww.de/s3976.