| Widerruft ein Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst seine Einstellungszusage aufgrund eines ärztlichen Attests, ist dies keine Diskriminierung aufgrund einer Schwerbehinderung. So entschied es das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg. |
Einstellungszusage widerrufen
Der an Diabetes erkrankte, schwerbehinderte Kläger bewarb sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung im Januar 2023 auf eine von der beklagten Stadt ausgeschriebene Ausbildungsstelle als Straßenwärter. Er erhielt eine Einstellungszusage vorbehaltlich einer noch durchzuführenden ärztlichen Untersuchung. Der Arzt kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger wegen seiner Diabetes-Erkrankung nicht für die vorgesehene Ausbildungsstelle geeignet sei. Die Einstellungszusage wurde daraufhin zurückgenommen. Der Kläger erhob Klage auf Entschädigung wegen einer aus seiner Sicht erfolgten Diskriminierung als schwerbehinderter Mensch.
Kein Verstoß gegen geltendes Recht
Das ArbG wies die Klage ab. Eine diskriminierende Handlung und ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) seien nicht erkennbar.
Der Kläger sei von der Beklagten wegen seiner Behinderung nicht schlechter behandelt worden als vergleichbare nichtbehinderte Bewerber. Die Stadt habe bei der Entscheidung, den Kläger nicht einzustellen, nicht auf seine Behinderung abgestellt. Vielmehr habe man den Kläger ungeachtet seiner Behinderung gerade einstellen wollen und ihm demgemäß eine Einstellungszusage erteilt, diese jedoch vom Ergebnis einer gesundheitlichen Eignungsuntersuchung bzw. seiner Eignung abhängig gemacht.
Diese gesundheitliche Eignung sei dann von dem von ihr beauftragten Arzt verneint worden. Daraufhin habe die Beklagte unter Berufung auf den zum Ausdruck gekommenen Vorbehalt ihre Einstellungszusage zurückgezogen.
Quelle | ArbG Siegburg, Urteil vom 20.3.2024, 3 Ca 1654/23, PM 1/24
| In einem Fall vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf ging es im Wesentlichen um angeblich unangemessene Äußerungen des Arbeitnehmers gegenüber Kollegen über Mitarbeitern. Die daraufhin vom Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung hatte keinen Bestand, weil sie zu unbestimmt war. |
Das war geschehen
Der Arbeitnehmer hatte die Äußerungen bestritten. Auf seine Frage im Personalgespräch, weshalb keine Namen derjenigen Arbeitnehmer genannt würden, die die Vorwürfe an die Personalbetreuung herangetragen hätten, äußerte die Personalreferentin, dass die Arbeitnehmer eingeschüchtert seien und sich lediglich vertraulich an die Vorgesetzten sowie die Personalbetreuung gewandt hätten. Auch in der Abmahnung selbst erfolgte keine namentliche Nennung.
So sah es das Arbeitsgericht
Das ArbG stellte klar: Dieser Vorgang reicht nicht für eine Abmahnung. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Arbeitnehmer sich tatsächlich in der ihm vorgeworfenen Art und Weise verhalten habe. Die Abmahnung sei inhaltlich zu unbestimmt. Die „anderen Mitarbeiter“, gegenüber denen er die Äußerungen getätigt haben soll, würden in der Abmahnung nicht benannt, obwohl sie dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der Abmahnung unstreitig bekannt gewesen seien. Da sich die Anforderungen an die Konkretisierung der in der Abmahnung enthaltenen Rüge an dem orientierten, was der Arbeitgeber wissen könne, sei die Abmahnung nicht hinreichend konkret.
Für den Arbeitnehmer als Adressat der Abmahnung diene die konkrete Nennung der Namen der Zeugen auch dazu, zu überprüfen, ob die Abmahnung inhaltlich richtig sei oder nicht; pauschale Vorwürfe ohne die Nennung der Zeugen würden diese Anforderung nicht erfüllen. Der Arbeitgeber sei auch nicht berechtigt, zum Schutz der Zeugen die Namen in der Abmahnung nicht zu nennen. Hierdurch könne zwar ein Konflikt zwischen dem Arbeitnehmer und den Zeugen im Hinblick auf den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe entstehen. Einen solchen Konflikt müsse ein Arbeitgeber, der den Aussagen der Zeugen im Hinblick auf ein angebliches Fehlverhalten eines Arbeitnehmers vertraue, allerdings hinnehmen. Es sei auch nicht ersichtlich, welche konkrete Gefahr den Zeugen durch ihre Nennung in der Abmahnung drohe.
Quelle | ArbG Düsseldorf, Urteil vom 12.1.2024, 7 Ca 1347/23, Abruf-Nr. 240429 unter www.iww.de
| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW hat entschieden: Eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) scheidet aus, wenn der Bewerber eine klassische kaufmännische Ausbildung hat, die nicht mit der Laufbahn des mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienstes (Bundeswehrverwaltung) vergleichbar ist. Hat der Bewerber später nicht entsprechend seiner Qualifikation gearbeitet, sammelt er auch keine Zeiten „hauptberuflicher Tätigkeit“. |
Kläger erhielt keine Einladung zum Vorstellungsgespräch
Der Kläger bewarb sich auf die o. g. Stelle und wurde nicht eingeladen. Vor dem Verwaltungsgericht (VG) klagte er auf eine Entschädigung nach dem AGG (hier: § 15 Abs. 2 S. 1 AGG) und unterlag. Seinen Antrag auf Zulassung der Berufung wies das OVG zurück. Zu Recht habe das VG ausnahmsweise eine Einladung eines schwerbehinderten Menschen durch einen öffentlichen Arbeitgeber als entbehrlich angesehen. Denn die fachliche Eignung fehlte offensichtlich.
Wesentliche Unterschiede in der Ausbildung
Der Kläger hatte eine Ausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft absolviert. Deren Inhalte unterschieden sich wesentlich von denen, die im Vorbereitungsdienst für den mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst in der Bundeswehrverwaltung vermittelt würden und allein zur Laufbahnbefähigung für den mittleren Dienst führen könnten. Das VG verglich insoweit die Ausbildung des Klägers mit den Anforderungen des fachspezifischen Vorbereitungsdienstes. Er konnte auch nicht nachweisen, dass seine späteren hauptberuflichen Tätigkeiten seiner Qualifikation entsprachen bzw. anzuerkennen seien. Hier wäre ein Zeitraum von mindestens einem Jahr und sechs Monaten notwendig gewesen. Er hatte auf verschiedenen Stellen überwiegend einfache Büro- und Verwaltungsarbeiten ausgeführt, die häufig nicht einmal eine kaufmännische Ausbildung voraussetzten.
Quelle | OVG NRW, Urteil vom 8.5.2023, 1 A 3340/20, Abruf-Nr. 240427 unter www.iww.de
| Ein ehemaliger Polizist hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit infolge früher wahrgenommener Tätigkeiten u.a. im Streifendienst. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Aachen entschieden. |
Der Kläger begründete, er sei während seiner nahezu 46-jährigen Dienstzeit zu erheblichen Teilen im Außendienst eingesetzt gewesen, ohne dass sein Dienstherr ihm Mittel zum UV-Schutz zur Verfügung gestellt oder auch auf die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen hingewiesen habe. Infolgedessen leide er unter Hautkrebs am Kopf, im Gesicht und an den Unterarmen.
Das VG hat die Ablehnung der Anerkennung als Berufskrankheit bestätigt, denn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Dienstunfall lägen hier nicht vor. Erforderlich ist im Fall von Hautkrebs durch UV-Strahlung, dass der Betroffene bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt ist, d. h. das Erkrankungsrisiko aufgrund der dienstlichen Tätigkeit in entscheidendem Maß höher als das der Allgemeinbevölkerung ist. Davon kann bei Polizeibeamten im Außendienst nicht die Rede sein. Polizisten bewegen sich in unterschiedlichen örtlichen Begebenheiten und nicht nur bei strahlendem Sonnenschein im Freien.
Quelle | VG Aachen, Urteil vom 15.4.2024, 1 K 2399/23, PM vom 15.4.2024
| Das Landearbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat die Berufung der VW AG in einem Verfahren über den Vergütungsanspruch eines zu 100 % freigestellten Betriebsratsmitglieds zum größten Teil zurückgewiesen. |
Vergütung gekürzt und Differenz für vier Monate zurückgefordert
Die VW AG hatte sich veranlasst gesehen, die Vergütung des Klägers, eines Betriebsrats, von der Entgeltgruppe 20 auf die Entgeltgruppe 18 zu reduzieren. VW hat deshalb vom Kläger die Vergütungsdifferenz gut 500 Euro im Monat für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 zurückgefordert.
Dem hat der Kläger unter Vorbehalt entsprochen. Außerdem bezahlt VW seitdem eine Vergütung nach Entgeltgruppe 18. Der Kläger verlangt von VW einerseits die von ihm gezahlte Vergütungsdifferenz zurück und begehrt zudem die Feststellung, dass VW weiterhin verpflichtet sei, ihm monatlich Vergütung nach Entgeltgruppe 20 zu zahlen. Damit war er in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht (ArbG) erfolgreich.
Berufung des Arbeitgebers erfolglos
Die dagegen von VW eingelegte Berufung ist überwiegend erfolglos geblieben. Die Berufungskammer hat den Vergütungsanspruch des Klägers als begründet angesehen. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine hypothetische Karriereentwicklung dargelegt und VW diese nicht ausreichend bestritten.
Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ohne Ausübung des Betriebsratsamtes die Entgeltgruppe 20 erreicht hätte. Die Entscheidung des ArbG hat daher mit geringfügigen Änderungen in Bezug auf den Zeitpunkt des beruflichen Aufstiegs des Klägers und der Verzinsung des Klageanspruchs Bestand.
Quelle | LAG Niedersachsen, Urteil vom 8.2.2024, 6 Sa 559/23, PM vom 12.2.2024
| Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen. Zu den Arbeitsunfällen gehören auch Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten Wegeunfälle. Auch ein Abweichen von dem direkten Arbeitsweg kann unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich unfallversichert sein. Dabei muss aber ein ausreichender Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen bleiben. Eine solche Ausnahme kommt gesetzlich etwa für einen vom Arbeitsweg abweichenden Weg in Betracht, um ein Kind wegen der beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen. In einem solchen Zusammenhang hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg nun eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen. |
Begleitung auf dem Schulweg
Die Klägerin hatte ihre Tochter im Grundschulalter zu einem Sammelpunkt auf dem Schulweg begleitet, an dem sich eine Gruppe von Mitschülern für den restlichen Weg traf. Dieser Sammelpunkt lag, von der Wohnung der Klägerin aus gesehen, in entgegengesetzter Richtung zu ihrer Arbeitsstätte. Auf dem Weg von dem Sammelpunkt zur ihrer Arbeit, aber noch vor Erreichen des Wegstücks von ihrer Wohnung zur Arbeit, wurde die Klägerin als sie trotz einer roten Fußgängerampel eine Straße überquerte von einem PKW erfasst. Sie erlitt unter anderem eine Gehirnerschütterung und verschiedene Knochenbrüche.
Nachdem die zuständige gesetzliche Unfallversicherung die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnte, bekam die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart zunächst recht. Sie hatte insbesondere geltend gemacht, dass die Begleitung ihrer Tochter aus Sicherheitsgründen erforderlich gewesen sei.
Landessozialgericht: Kein Arbeitsweg
Auf die Berufung des Unfallversicherungsträgers hat das LSG Baden-Württemberg die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Arbeitsunfall setze, wie der zuständige Senat klargestellt hat, u.a. voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Die Klägerin habe sich zwar im Unfallzeitpunkt objektiv auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstätte befunden. Dies sei aber nicht hinreichend, denn das Überqueren der Straße am Unfallort zum Unfallzeitpunkt sei nicht auf dem direkten Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit erfolgt, sodass der erforderliche sachliche Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit fehle.
Entscheidend: nicht Umweg, sondern Abweg
Bewege sich der Versicherte wie vorliegend die Klägerin nicht auf einem direkten Weg in Richtung seines Ziels, sondern in entgegengesetzter Richtung von diesem fort, handele es sich eben nicht um einen bloßen Umweg, sondern um einen Abweg. Werde der direkte Weg mehr als geringfügig unterbrochen und ein solcher Abweg allein aus eigenwirtschaftlichen, also nicht betrieblichen Gründen ebenfalls wie vorliegend zurückgelegt, bestehe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Klägerin habe auch bis zum Eintritt des Unfallereignisses die unmittelbare Wegstrecke zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte noch nicht wieder erreicht. Der Wegeunfallversicherungsschutz sei damit zum Unfallzeitpunkt noch nicht erneut begründet worden.
Keine Ausnahme gegeben
Es liege auch kein ausnahmsweise versicherter Abweg vor. Die Klägerin habe ihre Tochter nicht wie für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz insoweit erforderlich zum Sammelpunkt begleitet, um ihrer Beschäftigung nachzugehen, sondern allein und ausschließlich aus allgemeinen Sicherheitserwägungen zum Schutz der Tochter. Damit fehle vorliegend jeglicher sachlich-inhaltlich kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung der Klägerin und dem Begleiten der Tochter. Denn erfasst würden keine Fälle, in denen das Kind in fremde Obhut unabhängig davon verbracht werde, ob der Versicherte seine Beschäftigung alsbald aufnehmen wolle. Schließlich stelle auch die Begleitung der Tochter zu einem Sammelpunkt der Kinder-„Laufgruppe“, von wo aus die Grundschulkinder gemeinsam den Schulweg beschritten, schon kein „Anvertrauen in fremde Obhut“ im Sinne des Gesetzes dar.
Beachten Sie | Wenn ein Unfall wie in dem dargestellten Fall nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung erfasst ist, wird Versicherungsschutz typischerweise durch die gesetzliche oder private Krankenversicherung gewährleistet. Auch sind Schülerinnen und Schüler allgemein- und berufsbildender Schulen während des Schulbesuchs sowie auf dem Schulweg gesetzlich unfallversichert.
Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2022, L 10 U 3232/21, PM vom 19.3.2024
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Göttingen hat die Kündigungsschutzklage eines Busfahrers gegen die Göttinger Verkehrsbetriebe GmbH als unbegründet abgewiesen. Sein Verhalten in dem konkreten Fall sei eine schwerwiegende Pflichtverletzung gewesen. |
Fahrer schlägt Fahrgast: fristlose Kündigung
Der Kläger ist seit 25 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und wurde im Sommer 2023 fristlos gekündigt. Die Beklagte hat dem Kläger vorgeworfen, dass dieser einen Fahrgast gewaltsam von seinem Sitz gezogen und aus dem Bus geworfen habe. Nachdem der Fahrgast auf den Boden gefallen und wieder aufgestanden war, soll der Kläger ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.
Der Kläger behauptete, dass der alkoholisierte Fahrgast eine junge Frau belästigt habe. Zudem habe er sich geweigert, einen Fahrausweis zu zeigen und ihn den Kläger beleidigt. Auf Aufforderung habe er den Bus nicht verlassen. Nach dem Rauswurf habe der Fahrgast mit einer Getränkedose in der Hand eine Bewegung auf ihn zu gemacht und sich ihm drohend genähert. Daraufhin habe er der Kläger im Affekt eine Abwehr-/Schlagbewegung vollführt.
Der Bus ist mit sechs Überwachungskameras ausgestattet. Das ArbG hat die Videoaufzeichnungen in Augenschein genommen. Darauf ist zu erkennen, dass die Vorwürfe der Beklagten im Wesentlichen zutreffen. Der Kläger hat den Fahrgast, nachdem dieser auf seine Ansprache und die Aufforderung, den Bus zu verlassen, nicht reagierte, vom Sitz gezogen, wodurch dieser noch im Bus hingefallen ist. Im Anschluss daran griff der Kläger den Fahrgast von hinten an der Kleidung, um ihn aus dem Bus zu befördern. Auf dem Bürgersteig ist der Fahrgast aufgestanden. Daraufhin hat der Kläger ihn in der Nähe des Halses an der Kleidung gepackt und mit der Faust ausgeholt. Ob er den Fahrgast getroffen h
at, ist auf dem Video nicht eindeutig zu erkennen.Ob der alkoholisierte Fahrgast zuvor andere Fahrgäste belästigt hatte, ließ sich über die Videoaufzeichnungen nicht feststellen. Im Vorfeld war eine junge Frau aufgestanden, da sie den Fahrgast offensichtlich als unangenehm empfunden hat. Zum Zeitpunkt des Vorfalls befand sich diese aber nicht mehr in der Nähe.
Große Belastung durch schwierige Fahrgäste, aber Abmahnung nicht nötig
Nach Ansicht des Gerichts stellt das Verhalten des Klägers eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung dar. Dabei hat das Gericht nicht verkannt, dass schwierige Fahrgäste für Busfahrer eine große Belastung darstellen. Nachdem der Fahrgast den Bus nicht freiwillig verlassen wollte, hätte der Kläger aber die Leitstelle oder die Polizei anrufen können und müssen. Eine vorherige Abmahnung war aus der Sicht des Gerichts nicht erforderlich.
Quelle | ArbG Göttingen, Urteil vom 23.1.2024, 1 Ca 219/23, PM vom 30.1.2024
| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat die Entlassung eines Polizeikommissars aus dem Beamtenverhältnis auf Probe für rechtmäßig erklärt. |
Das war geschehen
Der Kläger war im Jahr 2021 nach bestandener Laufbahnprüfung in das Probebeamtenverhältnis berufen und als Einsatzsachbearbeiter in einer Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei eingesetzt worden. Bereits zuvor, noch während seines Vorbereitungsdienstes, hatte er über mehrere Monate hinweg wiederholt Bilddateien (sog. Sticker) in verschiedene WhatsApp-Chatgruppen mit diskriminierenden, antisemitischen, rassistischen, menschenverachtenden sowie frauen- und behindertenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Inhalten hochgeladen. Als sein Dienstherr, der Beklagte, hiervon erfuhr, leitete er zunächst ein Disziplinarverfahren und dann ein Entlassungsverfahren ein und entließ den Kläger wegen erheblicher Zweifel an dessen charakterlicher Eignung für den Polizeidienst mit Ablauf des Jahres 2022 aus dem Probebeamtenverhältnis.
Hiergegen erhob der Kläger zunächst Widerspruch und in der Folge Klage. Zur Begründung gab er an, aus dem Kontext der Verwendung der Sticker werde hinreichend deutlich, dass es sich nur um „schwarzen Humor“ handele; der Inhalt der Sticker entspreche in keiner Weise seiner inneren Haltung.
Kläger kein „unbescholtenes Blatt“
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Beklagte sei vielmehr beurteilungsfehlerfrei von der charakterlichen Nichteignung des Klägers für den Polizeidienst ausgegangen. Damit knüpfte das VG an seine bereits im November 2023 getroffenen Beschluss an, mit dem er die vom Kläger beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten seiner Klage abgelehnt hatte. In dem Beschluss hatte das Gericht betont, es sei unerheblich, ob die vom Kläger verwandten „Sticker“ tatsächlich Ausdruck seiner Gesinnung seien. Der Kläger müsse diese so gegen sich gelten lassen, wie sie aus Sicht eines objektiven Betrachters zu verstehen seien. Es werde deutlich, dass der Kläger sich seiner beamtenrechtlichen Pflichten nicht einmal ansatzweise bewusst sei und dass ihm erkennbar die erforderliche charakterliche Reife und Stabilität für das Amt eines Polizeivollzugsbeamten fehle. Außerdem berücksichtigten die Richter, dass der Kläger im Februar 2024 strafrechtlich wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in vier Fällen, in drei Fällen hiervon in Tateinheit mit Volksverhetzung, schuldig gesprochen worden war.
Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 20.2.2024, 5 K 733/23.KO, PM 5/24
| Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat entschieden, dass die Kündigung einer TV-Moderatorin wirksam ist, die trotz Abmahnungen eine Online-Kolumne für eine im Wettbewerb stehende Tageszeitung verfasst. |
Einschränkungen im Arbeitsvertrag
Die Klägerin war langjährig im Bereich Finanz- und Börsenberichterstattung für die Beklagte tätig, die einen Nachrichtensender mit TV- und Onlineberichterstattung betreibt. Der Arbeitsvertrag schränkt die Möglichkeit von Nebentätigkeiten ein und sieht vor, dass zuvor eine Genehmigung erfolgen muss.
Abmahnung wegen Online-Börsenkolumne
Die Klägerin hat unter anderem am 29.9.2022 eine Online-Börsenkolumne für eine Tageszeitung verfasst, wegen der sie am 4.10.2022 abgemahnt wurde. Dennoch veröffentlichte die Klägerin dort am 1.1.2023 eine weitere Kolumne, aufgrund der die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung aussprach.
Zuvor war die Klägerin auch vor dem ArbG Köln in einem einstweiligen Verfügungsverfahren unterlegen, in dem sie ihren Arbeitgeber verpflichten wollte, die Nebentätigkeit zum Verfassen einer wöchentlichen Kolumne zu genehmigen. Hier hatte das ArbG geurteilt, dass die begehrte Nebentätigkeit eine nicht genehmigungsfähige Konkurrenztätigkeit darstelle.
Arbeitsgericht bestätigt Kündigung
Das ArG Köln hat die Kündigung bestätigt. Bei der Online- Kolumne handele es sich um eine Wettbewerbstätigkeit, da sowohl der Arbeitgeber als auch der Zeitungsverlag Unternehmen sind, die sowohl im Bereich der TV- wie auch der Onlineberichterstattung aktiv seien.
Zudem betreffe die Börsenkolumne der Klägerin den fachlichen Kernbereich ihrer Tätigkeit für die Beklagte. Gerade in diesen Themen hat die Klägerin sich in der Vergangenheit eine große Reputation aufgebaut, mit der sie bislang für die Beklagte in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten ist. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Wettbewerbstätigkeiten entfaltet, verstoße gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers. Dies könne eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar
Hier sei der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das Vertrauen der Beklagten in einen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses sei nach den bewussten, fortgesetzten und groben Pflichtverletzungen der Klägerin gänzlich aufgebraucht.
Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 11.10.2023, 9 Ca 5402/22, PM 11/23
| Ein Busunternehmer steht unter Unfallversicherungsschutz, wenn er im Homeoffice beim Hochdrehen der Heizung durch eine Verpuffung im Heizkessel verletzt wird. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden. |
Im Homeoffice Heizkessel überprüft und nach Verpuffung schwer verletzt
Der Kläger war als selbstständiger Busunternehmer bei der beklagten Berufsgenossenschaft pflichtversichert. Er bewohnte ein Haus, dessen Wohnzimmer er als häuslichen Arbeitsplatz (Homeoffice) für Büroarbeiten nutzte. Am Unfalltag holte der Kläger seine Kinder von der Schule ab und arbeitete anschließend an seinem Schreibtisch im Wohnzimmer. Nachdem er festgestellt hatte, dass die Heizkörper im ganzen Haus kalt waren, begab er sich zur Überprüfung der Kesselanlage in den Heizungskeller. Beim Hochdrehen des Temperaturschalters kam es aufgrund eines Defekts der Heizungsanlage zu einer Verpuffung im Heizkessel, in deren Folge der Kläger eine schwere Augenverletzung erlitt.
Bundessozialgericht erkennt Arbeitsunfall an
Die beklagte Berufsgenossenschaft, das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) lehnten einen Arbeitsunfall ab. Das BSG hat dagegen einen Arbeitsunfall anerkannt.
Der Kläger wollte nicht nur seine Kinder, sondern auch seinen häuslichen Arbeitsplatz mit höheren Temperaturen versorgen. Die Benutzung des Temperaturreglers war deshalb unternehmensdienlich, der Heizungsdefekt kein unversichertes privates Risiko.
Quelle | BSG, Urteil vom 21.3.2024, B 2 U 14/21 R, PM 11/24