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Arbeitsrecht

Corona-Pandemie: Maskenpflicht: Anordnungen seitens der Arbeitgeber ist Folge zu leisten

| Wenn der Arbeitgeber Anordnungen trifft, in denen es um das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes geht, kann es zu unterschiedlichen Streitigkeiten kommen. Mit zwei Fällen haben sich jetzt die Arbeitsgerichte (ArbG) in Berlin und Siegburg beschäftigt. Die Urteile zeigen: Es sind hohe Anforderungen an die Argumentierung zu stellen, dass gesundheitliche Gründe gegen das Tragen von Schutzmasken oder Gesichtsvisieren sprechen. |

Gesichtsschutzschirm statt Mund-Nasen-Schutz?

Darf ein Arbeitnehmer darauf bestehen, bei seiner Arbeit statt eines Mund-Nasen-Schutzes einen Gesichtsschutzschirm zu tragen? „Nein“, sagt das ArbG Berlin.

Die Arbeitnehmerin war Flugsicherheitsassistentin an einem Flughafen. Sie hatte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geklagt. Das ArbG argumentierte, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten und die Besucher des Flughafens vor Infektionen schützen müsse. Ein Gesichtsvisier schütze Dritte weniger als der vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz.

Dass ihr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, habe die Arbeitnehmerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

Weder Schutzmaske noch Gesichtsvisier?

„Ohne Schutzmaske oder Gesichtsvisier geht es nicht.“ Der Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen. Dies musste sich jetzt ein Verwaltungsmitarbeiter in einem Rathaus vom ArbG Siegburg sagen lassen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Die Beklagte ordnete im Frühjahr 2020 in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte an. Der Kläger legte ein Attest vor, das ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht befreite. Sein Arbeitgeber wies ihn daraufhin an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Der Kläger legte ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreite. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Beklagte den Kläger nicht im Rathaus beschäftigen. Der Kläger begehrte nun im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden. Das ArbG wies seine Anträge ab.

Nach Auffassung des Gerichts überwiegt der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses das Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung.

Zudem hatte die Kammer Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste. Die Kammer ging wie auch das OVG Münster bei der Maskentragepflicht an Schulen davon aus, dass ein solches Attest konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten muss, warum eine Maske nicht getragen werden könne, da der Kläger mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil für sich erwirken will, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betreten des Rathauses ohne Maske. Einen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verneinte die Kammer in diesem Fall.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 15.10.2020, 42 Ga 13034/20; ArbG Berlin, PM Nr. 34/2020 vom 18.12.2020; ArbG Siegburg, Urteil vom 16.12.2020, 4 Ga 18/20; PM vom 4.1.2021

Beamtenrecht: Klage einer Rektorin auf Entlastung und Freizeitausgleich erfolglos

| Der pauschale Antrag einer Rektorin, ihr eine Entlastung von ihren dienstlichen Aufgaben entsprechend der Teilzeit (86 Prozent) zu gewähren, ist unzulässig. Zu diesem Ergebnis kam das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück. |

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit formalen Argumenten: Der Antrag sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, durch eine etwaige Beweisaufnahme zu ermitteln, von welchen dienstlichen Aufgaben die Rektorin in welchem Umfang entlastet werden müsse, um eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit im Umfang ihrer Teilzeitbeschäftigung zu gewährleisten. Insofern folge die Kammer einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 2015 nicht.

Zudem fehle es an der Klagebefugnis. Ein Grundsatz des Beamtenrechts sei, dass ein Beamter keinen Anspruch auf einen individuellen Ämterzuschnitt habe, sondern „nur“ einen Anspruch auf eine seinem statusrechtlichen Amt (hier Grundschulrektorin) entsprechende Verwendung. Beim konkreten Amt habe der Dienstherr ein Vorrecht (sog. Einschätzungsprärogative). Auch handele es sich bei der Frage über die konkrete Art der Entlastung der Schulen um eine Entscheidung des Organisationsermessens des Dienstherrn, die der Beamte nicht einklagen könne. Der Freizeitausgleich, der im Umfang auf ein ganzes Jahr hinausliefe, stehe ihr weder aus nationalem noch aus Unionsrecht zu. Dieser Anspruch setze eine vom Dienstherrn angeordnete Mehrarbeit voraus. Unionsrechtlich scheitere der Anspruch daran, dass die entsprechende EU-Richtlinie auf sie als Schulleiterin nicht anwendbar sei.

Das Gericht zeigte aber auch eine Lösung: Beamte hätten die Möglichkeit, Anträge zu stellen und Beschwerden zu erheben und so eine Überlastung zu dokumentieren. Eine so dokumentierte Überlastung könne nicht unmittelbar gerichtlich überprüft werden, sondern nur, wenn sie Beamten zu ihren Lasten vorgehalten werde, etwa im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung.

Quelle | VG Osnabrück, Urteil vom 24.11.2020, 3 A 45/18, Abruf-Nr. 219439 unter www.iww.de

Corona-Pandemie: Betriebsbedingte Kündigungen kein „Selbstläufer“

| Betreffend betriebsbedingte Kündigungen hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass allein ein Hinweis auf „Corona“ oder einen Umsatzrückgang aufgrund der Pandemie nicht ausreicht, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. |

Gesunkener Beschäftigungsbedarf

In der einen Entscheidung stellte das ArbG fest, dass der Arbeitgeber anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen muss, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf (ArbG Berlin, Urteil vom 5.11.2020, 38 Ca 4569/20).

Umsatzrückgang

In weiteren Entscheidungen sagte das ArbG, dass die Erklärung, es habe einen starken Umsatzrückgang gegeben und man habe nicht anders auf denselben reagieren können, als eine Anzahl von Kündigungen auszusprechen, keine ausreichende Begründung zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung sei (ArbG Berlin, Urteile vom 25.8.2020, 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20, 34 Ca 6668/20).

Home-Office „rettet“ vor Arbeitsortswechsel

Schließlich stellte das ArbG in einem anderen Verfahren Folgendes fest: Auch wenn kein allgemeiner Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office bestehe, könne die mögliche Arbeit von zu Hause aus bei vorhandenen technischen Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes entgegenstehen. Die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Home-Office aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zu Hause aus möglich sei. Gegen die Entscheidung wurde die Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg eingelegt (ArbG Berlin, Urteil vom 10.8.2020, 19 Ca 13189/19).

Quelle | Alle Entscheidungen: ArbG Berlin; ArbG Berlin, PM Nr. 34/2020 vom 18.12.2020

Paketzustelldienst: Arbeitslohn oder geldwerter Vorteil? Wenn der Arbeitgeber Verwarnungsgelder des Arbeitnehmers zahlt …

| Die Ausgleichszahlung eines Verwarnungsgeldes durch den Arbeitgeber führt nicht zu Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer, der die Ordnungswidrigkeit (hier: einen Parkverstoß) begangen hat. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt entschieden. Zu klären bleibt aber, ob den Fahrern dadurch nicht ein geldwerter Vorteil und damit am Ende doch Arbeitslohn zugeflossen ist. |

Das war geschehen

Die Klägerin betreibt einen Paketzustelldienst im gesamten Bundesgebiet. In manchen Innenstädten gelang es dem Unternehmen nicht, bei den zuständigen Behörden eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, um kurzfristig zum Be- und Entladen in ansonsten nicht freigegebenen Bereichen (z.B. Halteverbots- oder Fußgängerzonen) unter bestimmten Auflagen zu halten. Folglich nahm es das Unternehmen hin, dass die Fahrer ihre Fahrzeuge zuweilen auch in Halteverbotsbereichen oder Fußgängerzonen kurzfristig anhielten. Immer dann, wenn für diese Ordnungswidrigkeit Verwarnungsgelder erhoben wurden, zahlte das Unternehmen diese als Halterin der Fahrzeuge.

Die Sichtweise der Finanzverwaltung

Das Finanzamt war unter Verweis auf ein früheres BFH-Urteil der Ansicht, es handele sich hierbei um Arbeitslohn für die Fahrer. Das Finanzgericht (FG) gab dagegen der Klägerin Recht. Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Der BFH bestätigte das FG zunächst darin, dass im Streitfall die Zahlung der Verwarnungsgelder auf eine eigene Schuld der Klägerin erfolgt ist und daher nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führen kann, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Das FG muss prüfen

Jetzt muss das FG aber noch prüfen, ob den Fahrern, die einen Parkverstoß begangen hatten, nicht dadurch ein geldwerter Vorteil und damit Arbeitslohn zugeflossen ist, weil die Klägerin ihnen gegenüber einen Regressanspruch hatte, auf den sie verzichtet hat. Dass es sich bei den zugrundeliegenden Parkverstößen um Ordnungswidrigkeiten im absoluten Bagatellbereich handelt, spielt nach dem BFH für die Beurteilung, ob Arbeitslohn vorliegt, keine Rolle.

Quelle | BFH, Urteil vom 13.8.2020, VI R 1/17; PM Nr. 50/2020

Corona-Pandemie: Fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit im Einzelfall gerechtfertigt

| Das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart hat jetzt entschieden: Eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, das Einführen von Kurzarbeit zu ermöglichen, kann im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung gerechtfertigt sein. Es hat aber auch darauf hingewiesen: Für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Kündigung sind insbesondere eine entsprechende Ankündigungsfrist und eine Begrenzung der Dauer der (möglichen) Kurzarbeit von Bedeutung sowie der Umstand, dass Kurzarbeit nur eingeführt werden kann, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers vorliegen. |

Die Klägerin, Personaldisponentin einer Leiharbeitsfirma, koordinierte den Einsatz von Leiharbeitnehmern in Kindergärten und Kitas. Da aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auch Kindergärten zeitweise geschlossen wurden, wurden dort Leiharbeitnehmer nicht mehr benötigt.

Der Beklagte, Arbeitgeber der Klägerin, beantragte daher Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit genehmigte diese. Hiervon fühlte sich die Klägerin zunächst nicht betroffen. Denn sie wurde vier Tage später für längere Zeit krankgeschrieben. Der Kläger bat sie um die vorgeschriebene Zustimmung zur Kurzarbeit. Dies lehnte sie ab. Daraufhin sprach der Kläger eine fristlose Änderungskündigung aus (Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und gleichzeitiges Anbieten eines neuen Arbeitsverhältnisses). Nach diesem neuen Arbeitsverhältnis durfte der Kläger bis Ende Dezember 2020 Kurzarbeit anordnen.

Die Klägerin hielt die fristlose Änderungskündigung für unwirksam. Ihr Arbeitgeber sei keiner wirtschaftlich schwierigen Situation ausgesetzt. Das sah das ArbG komplett anders. Die Änderungskündigung sei wirksam. Sie sei insbesondere verhältnismäßig: Denn es sei zu einem unbestreitbaren, erheblichen Arbeitsausfall gekommen. Ein notwendiger „wichtiger Grund“ für eine fristlose Änderungskündigung habe also vorgelegen. Ein milderes Mittel als Alternative habe dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden. Die fristlose Änderungskündigung habe bezweckt, eine Grundlage für Kurzarbeit und damit für den Erhalt von Kurzarbeitergeld zu schaffen.

Das ArbG betont: Würde man dies anders sehen, wäre bei Verweigerung einzelner Arbeitnehmer die Einführungsmöglichkeit von Kurzarbeit gerade bei längeren Kündigungsfristen (sinnvoll) ausgeschlossen.

Quelle | ArbG Stuttgart, Urteil vom 22.10.2020, 11 Ca 2950/20

Diskriminierung: „Ugah, Ugah“ mit Folgen: Kündigung wegen menschenverachtender Äußerung bleibt wirksam

| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu einer Kündigung wegen einer groben menschenverachtenden Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Damit bleiben die Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen wirksam, wonach die Äußerung „Ugah, Ugah“ gegenüber eienem dunkelhäutigen Kollegen eine menschenverachtende Diskriminierung darstellt, die sich nicht unter Berufung auf das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen lässt. |

Das war geschehen

Der Beschwerdeführer betitelte in einer kontrovers ablaufenden Betriebsratssitzung einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als „Stricher“ bezeichnete. Die daraufhin gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Kündigung erachteten die Arbeitsgerichte als wirksam, auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte.

Das sagte der Beschwerdeführer

Dagegen berief sich der Beschwerdeführer auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfolglos. Die Arbeitsgerichte hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen. Der Umgangston im Betriebsrat sei durchaus „hin und wieder flapsig“. Das liege daran, dass es von allen Betriebsratsmitgliedern gewollt sei, die teilweise abstrakte bürokratische Materie durch Auflockerung der Gesprächsatmosphäre zu fördern. Es gehöre zum gepflegten Umgangston unter den Betriebsratsmitgliedern und sei bislang nie ein Problem gewesen. Seine Einwände blieben erfolglos.

So sieht es das BVerfG

Das BVerfG hält die Wertungen für richtig, die die Arbeitsgerichte getroffen haben, und die sich aus den Grundrechten der Meinungsfreiheit und Menschenwürde sowie dem Diskriminierungsverbot ergeben. Sie verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht der Meinungsfreiheit. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, sei auch im Lichte des grundgesetzlichen Diskriminierungsverbots korrekt, das sich gegen rassistische Diskriminierung wendet.

Menschenwürde vor Meinungsfreiheit

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordere im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit trete aber zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Das haben die Gerichte hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt, so das BVerfG. Sie hätten ausführlich begründet, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelt. Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird. Diese Wertung sei ebenso, wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung geforderte Gesamtwürdigung, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 2.11.2020, 1 BvR 2727/19; PM Nr. 101/2020 vom 24.11.2020

Fehlverhalten im Dienst: Tritte gegen am Boden Liegenden:Entlassung eines Polizisten auf Probe

| Ein Polizeibeamter auf Probe darf nach Tritten gegen einen am Boden liegenden und fixierten Tatverdächtigen bereits vor Ablauf der regulären Probezeit aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden. Dies entschied jetzt das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |

Das war geschehen

Der 25-jährige Antragsteller wurde nach Abschluss der Anwärterzeit zum Mai 2018 als Polizeivollzugsbediensteter in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen. Im Mai 2019 fuhr ein Fahrzeug im Rahmen einer Verfolgungsfahrt auf den Streifenwagen auf, in dem der Antragsteller saß. Nachdem andere Polizeibeamte die beiden Personen aus dem Tatfahrzeug zu Boden gebracht und fixiert hatten, trat der Antragsteller auf einen der Tatverdächtigen mehrfach ein. Darauf erklärte das Land Rheinland-Pfalz mit sofortiger Wirkung die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

Mit seinem Eilrechtsantrag begehrte der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entlassungsentscheidung wiederherzustellen. Das VG lehnte den Eilantrag ab.

So argumentiert das Verwaltungsgericht

Ein Beamter auf Probe könne entlassen werden, wenn er sich in der Probezeit nicht bewähre. Eine Bewährung setze voraus, dass der Probebeamte nach seiner Eignung und Befähigung voraussichtlich den Anforderungen gerecht werde, die mit einem Beamtenstatus auf Lebenszeit verbunden seien. Vorliegend seien schon angesichts des körperlichen Angriffs auf einen bereits gefesselten Tatverdächtigen ernsthafte Zweifel des Dienstherrn an der charakterlichen Eignung des Antragstellers berechtigt. Das Fehlverhalten, das in einer Videoaufnahme dokumentiert sei, stelle sich als so gravierend dar, dass das für den Polizeivollzugsdienst unabdingbar erforderliche Vertrauen in eine zukünftige ordnungsgemäße, an rechtsstaatlichen Regeln ausgerichtete Amtsführung durch den Antragsteller nachhaltig zerstört sei.

Mangelnde Bewährung

Deshalb komme es nicht mehr darauf an, ob auch aus anderen Gründen Bedenken an der charakterlichen Eignung des Antragstellers oder an seiner dienstlichen Befähigung bestünden. Stehe eine mangelnde Bewährung fest, dürfe eine Entlassung auch bereits vor Ablauf der Probezeit ausgesprochen werden.

Quelle | VG Mainz, Beschluss vom 13.10.2020, 4 L 587/20.MZ, Abruf-Nr. 218889 unter www.iww.de; PM Nr. 15/20

Religionsfreiheit: Referendare dürfen Kippa tragen

| Referendaren an Berliner Gerichten und bei der Berliner Staatsanwaltschaft ist es jetzt erlaubt, in Verhandlungen religiöse Symbole zu tragen (z. B. Kopftuch, Kreuz oder Kippa). Sie dürfen mit diesen religiösen Symbolen bekleidet etwa Sitzungen leiten, Zeugen befragen oder Anklagen verlesen. |

Die Leitungen des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamts von Berlin und Brandenburg sowie des Kammergerichts und die Justizverwaltung erlauben dies mit Wirkung zum 1.8.2020 für den dann neuen Referendarsjahrgang.

Quelle | dpa, Meldung vom 4.9.2020

Datenschutz: Zeiterfassung per Finger-Scan nicht verpflichtend

| Ein Arbeitnehmer ist nicht zu einer Zeiterfassung per Fingerabdruck-Scanner verpflichtet. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall eines medizinisch-technischen Assistenten in einer radiologischen Praxis entschieden. |

Begründung: Das System verarbeite biometrische Daten. Dies ist nur ausnahmsweise erlaubt. Nach der Datenschutz-Grundverordnung muss die Verarbeitung erforderlich sein, damit Arbeitgeber oder Arbeitnehmer die ihnen aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben und ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen können. Das hatte der Arbeitgeber hier nicht dargelegt. Ein Erfassen ist daher nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers zulässig. Der Arbeitgeber dürfe eine Weigerung auch nicht arbeitsrechtlich mit einer Abmahnung bestrafen.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.6.2020, 10 Sa 2130/19, Abruf-Nr. 217914 unter www.iww.de

Corona-Pandemie: Arbeitnehmer: Weder Anspruch auf Homeoffice noch auf Einzelbüro

| Auch wenn ein Infektionsrisiko in der Corona-Pandemie besteht, kann ein Arbeitnehmer nach Vorlage eines ärztlichen Attests keine Ansprüche darauf stellen, wo sich sein Arbeitsplatz befindet. Dem Arbeitgeber obliegt die Ausgestaltung seiner Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer. Dies stellte jetzt das Arbeitsgericht (ArbG) Augsburg klar. |

Ein 63jähriger Arbeitnehmer teilte sich am Sitz der Beklagten ein Büro mit einer Mitarbeiterin. Des Weiteren erteilte er nebenamtlich einmal wöchentlich einen 90minütigen Unterricht. Mit der Vorlage eines ärztlichen Attests leitete er einen Anspruch gegenüber der Beklagten darauf ab, seine Tätigkeit an seinem Wohnsitz im Homeoffice zu erbringen sowie von der Unterrichtsverpflichtung freigestellt zu werden, solange für ihn das Risiko einer Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus bestünde. Sofern dem Arbeitgeber eine Homeoffice-Genehmigung nicht möglich sei, verlangte er die Bereitstellung eines konkreten Einzelbüros. Bei Zuwiderhandlung solle der Arbeitgeber mit einem Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro belegt werden.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf einen Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (Homeoffice) ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus dem Vertrag noch aus dem Gesetz. Es obliege allein dem Arbeitgeber, wie er seinen gesetzlichen Verpflichtungen, den Arbeitnehmer zu schützen, gerecht wird und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechtes umsetzt, um das Ziel zu erreichen, den hausärztlichen Empfehlungen des Klägers zu entsprechen. Dies treffe ebenso für ein Einzelbüro zu. Der Unterricht in Präsenzform war zwischenzeitlich Pandemie-bedingt eingestellt worden.

Quelle | ArbG Augsburg, Urteil vom 7.5.2020, 3 Ga 9/20, Abruf-Nr. 218578 unter www.iww.de