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Gerichtszuständigkeit: Erblasser: Gewöhnlicher Aufenthalt bei Heimpflege im Ausland

| Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hatte die Frage zu entscheiden, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben ist. |

Der Erblasser, ein kinderloser deutscher Staatsangehöriger, ist im Jahr 2023 in einem Pflegeheim in Polen verstorben. Zuvor lebte er mit seiner (zweiten) Ehefrau sowie in verschiedenen Pflegeheimen in Deutschland. Anfang 2022 machte sich bei ihm eine zunehmende Demenz bemerkbar, die ihn zum Pflegefall machte. Seit April 2023 lebte er in einem Pflegeheim in Polen. Dort hatte er kein Vermögen, er sprach kein polnisch und hatte familiäre sowie soziale Verbindungen allein nach Deutschland. Er wurde gegen bzw. ohne seinen Willen in dem Pflegeheim in Polen untergebracht. Nach dem Tod des Erblassers stellte seine Ehefrau einen Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins beim Nachlassgericht des Amtsgerichts (AG) Singen. Dies hat den Antrag mangels internationaler Zuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.12 (Art. 4 EuErbVO) zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Das OLG Karlsruhe hat den Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die deutsche Gerichtsbarkeit gegeben sei, weil der Erblasser seinen (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe.

Der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ sei unionsautonom (gem. Art 23 u. 24 EuErbVO) auszulegen. In objektiver Hinsicht müsse zumindest ein tatsächlicher Aufenthalt („körperliche Anwesenheit“) gegeben sein, auf eine konkrete Dauer oder die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts komme es hingegen nicht an. Unschädlich sei auch eine vorübergehende Abwesenheit, soweit ein Rückkehrwille bestand. In subjektiver Hinsicht sei das Vorliegen eines animus manendi (Bleibewille) erforderlich, also der nach außen manifestierte Wille, seinen Lebensmittelpunkt am Ort des tatsächlichen Aufenthalts auf Dauer zu begründen. Eines rechtsgeschäftlichen Willens bedürfe es insoweit nicht. Werden pflegebedürftige Personen in ausländischen Pflegeheimen untergebracht, komme es ebenfalls grundsätzlich auf deren Bleibewillen an. Könnten diese zum Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels keinen eigenen Willen mehr bilden oder erfolgt die Unterbringung gegen ihren Willen, fehle es an dem für die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts erforderlichen Bleibewillens. Dies sei hier der Fall.

Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.7.2024, 14 W 50/24 Wx, Abruf-Nr. 243256 unter www.iww.de

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