| Die in einem islamisch-sunnitischen Ehevertrag für den Fall der Ehescheidung zugunsten der Ehefrau vereinbarte „Abendgabe“ schuldet der Ehemann auch, wenn die Ehefrau die Scheidung beantragt und dieser daher kein „talaq“ (Scheidungsverstoßung) des Ehemanns zugrunde liegt. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Deutschen libanesischer Abstammung entschieden. Der Mann lebt seit Mitte der 1980er Jahre in Deutschland. Er hatte eine seinerzeit im Libanon lebenden Libanesin nach islamisch-sunnitischem Recht vor dem Scharia-Gericht in Beirut geheiratet. Dabei schlossen die beiden vor dem Gericht einen schriftlichen Ehevertrag, in dem ein vom Ehemann zu zahlendes Brautgeld vereinbart wurde. Dieses sollte aus einer „Morgengabe“ in Form einer Abschrift des heiligen Korans und einer englischen Goldlira sowie einer „Abendgabe“ von 15.000 US-Dollar bestehen. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. 2013 trennten sich die Eheleute. 2014 beantragte die Frau die Scheidung und begehrte die Zahlung der „Abendgabe“. Das Familiengericht hat u.a. die Scheidung ausgesprochen und den Antragsgegner aufgrund des abgeschlossenen Ehevertrags verpflichtet, die „Abendgabe“ zu zahlen.
Die Beschwerde des Antragsgegners blieb vor dem OLG erfolglos. Die Ehe sei zu Recht nach deutschem Recht geschieden worden. Maßgeblich sei der gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten bei der Einleitung des Scheidungsverfahrens im Jahre 2014. Das islamische Scheidungsrecht sei von den Beteiligten für den Fall einer Scheidung nicht vereinbart worden.
Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Abfindungsbetrag, die „Abendgabe“, zu. Die Beteiligten hätten in dem Ehevertrag einen sog. „Mahr“, eine vom Ehemann zu erbringende Brautgabe, wirksam vereinbart. Diese bestehe aus der bei Eheschließung fälligen „Morgengabe“ und der bei der Scheidung fälligen „Abendgabe“.
Für den Abschluss des Ehevertrags gelte das islamisch-sunnitische Recht. Danach sei der Vertrag vor dem Scharia-Gericht wirksam abgeschlossen worden. Für den weiteren Vollzug des Vertrags gelte allerdings deutsches Recht. Durch die „Abendgabe“ sollte die Ehefrau nach einer Scheidung abgesichert werden. Das sei mit nachehelichen Unterhaltspflichten vergleichbar. Für diese sei das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person, vorliegend die Antragstellerin, ihren gewöhnlichen Aufenthalt während der Ehe, nach der Trennung und bei der Einleitung des Scheidungsverfahrens gehabt habe. Diese Orte lägen im zu entscheidenden Fall in Deutschland.
Nach dem Ehevertrag schulde der Ehemann bei der Scheidung die vereinbarte „Abendgabe“. Die weitere Voraussetzung des islamischen Rechts, nach der ein Ehemann die „Abendgabe“ nur im Falle eines von ihm ausgehenden „talaq“ zu zahlen habe, nicht aber, wenn – wie vorliegend – die Auflösung der Ehe von der Ehefrau ausgehe, könne dagegen nicht auf das deutsche Recht übertragen werden. Das folge aus dem kollisionsrechtlichen Prinzip des Ordre Public. Die in Frage stehende Einschränkung des islamischen Rechts sei mit wesentlichen Grundgedanken des deutschen Ehescheidungs- und Nachscheidungsunterhaltsrechts nicht zu vereinbaren. Im deutschen Recht sei, anders als nach islamischem Recht, nachehelicher Unterhalt grundsätzlich unabhängig vom Trennungsgrund und auch verschuldensunabhängig zu leisten.
QUELLE | OLG Hamm, Beschluss vom 22.4.2016, 3 UF 262/15, Abruf-Nr. 187992 unter www.iww.de.
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