| Die Regelungen des Personenstandsrechts sind mit den grundgesetzlichen Anforderungen insoweit nicht vereinbar, als § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen. |
Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden. Geklagt hatte eine Person, die beim zuständigen Standesamt ihren Geburtseintrag dahingehend ändern lassen wollte, dass die bisherige Geschlechtsangabe „weiblich“ gestrichen und die Angabe „inter/divers“, hilfsweise nur „divers“ eingetragen werden solle. Das Standesamt lehnte den Antrag ab. Nach deutschem Personenstandsrecht könne im Geburtenregister ein Kind entweder dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zuzuordnen sein. Sofern dies nicht möglich sei, werde das Geschlecht nicht eingetragen.
Das hielt das BVerfG für verfassungswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) schützt nach Ansicht des Gerichts auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG), soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ ausgeschlossen wird. Der Gesetzgeber muss bis zum 31. Dezember 2018 eine Neuregelung schaffen. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die betreffenden Normen nicht mehr anwenden, soweit sie für Personen eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich deswegen dauerhaft weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen.
Dem Gesetzgeber stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, die Verfassungsverstöße zu beseitigen. So kann er auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten. Er kann aber stattdessen auch für die betroffenen Personen die Möglichkeit schaffen, eine weitere positive Bezeichnung eines Geschlechts zu wählen, das nicht männlich oder weiblich ist. Dabei ist der Gesetzgeber nicht auf die Wahl einer der von der antragstellenden Person im fachgerichtlichen Verfahren verfolgten Bezeichnungen beschränkt.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 10.10.2017, 1 BvR 2019/16, Abruf-Nr. 197770 unter www.iww.de.
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