| Ein Taxiunternehmen kann von einem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten Taxifahrer nicht verlangen, während des Wartens auf Fahrgäste alle drei Minuten eine Signaltaste zu drücken, um seine Arbeitsbereitschaft zu dokumentieren. |
Das hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden. Geklagt hatte ein Taxifahrer. Er verlangte von seinem Arbeitgeber Arbeitsvergütung in Höhe des Mindestlohns für sogenannte Standzeiten. Das Taxameter des vom Taxifahrer genutzten Taxis hat die Besonderheit, dass nach einer Standzeit von drei Minuten ein akustisches Signal ertönt. Der Fahrer hat nach dem Ertönen des Signals 10 Sekunden Zeit, eine Taste zu drücken. Drückt er diesen Knopf, wird seine Standzeit vom Taxameter als Arbeitszeit aufgezeichnet. Drückt er den Knopf nicht, wird die darauf folgende Standzeit nicht als Arbeitszeit, sondern als unbezahlte Pausenzeit erfasst. Der Taxifahrer meint, ihm sei das Betätigen der Signaltaste nicht zumutbar und auch nicht immer möglich gewesen. Das verklagte Taxiunternehmen war nur bereit, die vom Zeiterfassungssystem als Arbeits- oder Bereitschaftszeit erfasste Zeit zu vergüten.
Das Arbeitsgericht hat dem Taxifahrer überwiegend recht gegeben. Standzeiten und sonstige Zeiten, in denen ein Taxifahrer bereit sei, einen Fahrauftrag auszuführen, seien Arbeitsbereitschaft oder jedenfalls Bereitschaftsdienst und deshalb mindestlohnpflichtig. Die vom Taxiunternehmen getroffene Regelung bezüglich des Signalknopfes verstoße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Dieses verbiete eine unverhältnismäßige Erfassung von Daten des Taxifahrers. Das Interesse des Arbeitgebers, die Arbeitsbereitschaft des Taxifahrers zu kontrollieren, erfordere keine so enge zeitliche Überwachung. Abgewiesen hat das Arbeitsgericht die Klage allerdings im Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen. Der Taxifahrer sei verpflichtet gewesen, diese einzuhalten. Dies sei ihm auch möglich gewesen, da er den Beginn und die Dauer der Ruhepausen selbst bestimmen konnte.
Quelle | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 10.8.2017, 41 Ca 12115/16, Abruf-Nr. 195925 unter www.iww.de.
| Es verstößt nicht gegen das AGG, wenn der Bewerber in einem Online-Bewerbungsformular zwischen „Frau“ und „Herr“ auswählen muss. |
Diese Klarstellung traf das Bundearbeitsgericht (BAG). Die Richter machten deutlich, dass die im Online-Bewerbungsformular der Beklagten im Hinblick auf die Anrede vorgesehene Auswahl zwischen „Frau“ und „Herr“ kein Indiz im Sinne des AGG für eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts sei. Zwar handele es sich insoweit um eine mit „*“ gekennzeichnete Pflichtangabe. Allerdings diene die Angabe allein dazu, Bewerbungen zeitnah mit zutreffender Anrede beantworten zu können. Im Übrigen lasse eine Auswahlmöglichkeit zwischen „Frau“ und „Herr“ nicht darauf schließen, dass Bewerbungen von Frauen nicht erwünscht seien.
Quelle | BAG, Urteil vom 15.12.2016, 8 AZR 418/15, Abruf-Nr. 193635 unter www.iww.de.
| Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind Erschwerniszulagen und damit im Rahmen des Üblichen unpfändbar. Zulagen für Schicht-, Samstags- oder sog. Vorfestarbeit sind dagegen der Pfändung nicht entzogen. Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang und welcher Höhe Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als „üblich“ und damit unpfändbar i.S.v. § 850a Nr. 3 ZPO anzusehen sind, kann an die Regelung in § 3b EStG angeknüpft werden. |
Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung hin. Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die als Hauspflegerin in einer Sozialstation arbeitet. Nach einem zwischenzeitlich aufgehobenen Insolvenzverfahren befand sie sich in der sog. Wohlverhaltensphase, in der sie ihre pfändbare Vergütung an einen Treuhänder abgetreten hatte. Im Zeitraum Mai 2015 bis März 2016 führte der Arbeitgeber von der jeweiligen Nettovergütung den sich aus seiner Sicht ergebenden pfändbaren Teil der Vergütung an den Treuhänder ab. Dabei berücksichtigte er auch die gezahlten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit als pfändbar. Die Arbeitnehmerin hält diese Zuschläge für unpfändbare Erschwerniszulagen. Sie verlangt 1.144,91 EUR, die der Arbeitgeber zu viel an den Treuhänder abgeführt habe. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Auf die Revision des Arbeitgebers hat das BAG das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Die Vorinstanzen haben allerdings zutreffend angenommen, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Erschwerniszulagen und deshalb unpfändbar sind. Der Gesetzgeber hat im Arbeitszeitgesetz die Ausgleichspflichtigkeit von Nachtarbeit geregelt, die von ihm als besonders erschwerend bewertet wurde. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen kraft Verfassung unter besonderem Schutz. An diesen Tagen besteht ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot. Damit geht der Gesetzgeber auch hier von einer Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen dennoch gearbeitet wird.
Eine entsprechende gesetzgeberische Wertung gibt es für Schicht-, Samstags- und Vorfestarbeit hingegen nicht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Regelung zwar dem Schuldnerschutz dient und diesem einen größeren Teil seines Nettoeinkommens als unpfändbar belassen will. Angesichts der ebenso in den Blick zu nehmenden Gläubigerinteressen bedarf die Unpfändbarkeit von Erschwerniszulagen aber einer sachlichen Begrenzung.
Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, da zur genauen Höhe der zu Unrecht an den Treuhänder abgeführten Vergütung der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden muss. Daher wurde der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Quelle | BAG, Urteil vom 23.8.2017, 10 AZR 859/16, Abruf-Nr. 196080 unter www.iww.de.