| Ein Arbeitsvertrag kann auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren kalendermäßig befristet werden, wenn zwischen den Parteien zuvor ein Heimarbeitsverhältnis bestanden hat. |
Diese Entscheidung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Frau, die für ihren Arbeitgeber vom 15.6.09 bis zum 31.8.10 als Heimarbeiterin tätig war. Ab dem 1.9.10 wurde sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Der zunächst für die Dauer von einem Jahr befristete Arbeitsvertrag wurde durch Ergänzungsvertrag vom 12.5.11 bis zum 31.8.12 verlängert. Die Frau möchte festgestellt haben, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung am 31.8.12 geendet hat.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Frau hatte vor dem Siebten Senat des BAG keinen Erfolg. Der Arbeitsvertrag wurde wirksam befristet. Er konnte nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) für die Dauer von zwei Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds befristet werden. Eine sachgrundlose Befristung ist zwar nach dem Gesetz nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Ein Heimarbeitsverhältnis ist jedoch kein Arbeitsverhältnis im Sinne des TzBfG.
Quelle | BAG, Urteil vom 24.8.16, 7 AZR 342/14, Abruf-Nr. 188772 unter www.iww.de.
| Eltern haben einen Anspruch auf Übertragung eines Teils der Elternzeit über das dritte Lebensjahr ihres Kindes hinaus. Nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes besteht allerdings keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) mehr. Beträgt die nach dem dritten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit mehr als 12 Monate, kann dies zu einem Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen. Arbeits- und Sozialrecht sind insoweit nicht vollständig harmonisiert. |
Hierauf weist das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hin. Nachdem das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht einen eingeschränkten Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung bereits als verfassungskonform gewertet haben, hat das LSG nun auch einen Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben verneint.
Die Klägerin hatte sowohl nach der Geburt ihres ersten als auch nach der Geburt ihres zweiten Kindes jeweils ein Jahr der Elternzeit auf die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihrer Kinder übertragen und insgesamt ca. 14,5 Monate Elternzeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihres jüngsten Kindes in Anspruch genommen. Unmittelbar im Anschluss war sie arbeitslos, weil sie im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt hatte. Ihr Antrag auf Arbeitslosengeld wurde abgelehnt: Sie war während der ca. 14,5 Monate nicht in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig und erfüllte deshalb die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Mindestversicherungszeit nicht mehr.
Die vor dem Sozialgericht Mainz erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Diese Entscheidung hat das LSG Rheinland-Pfalz nun bestätigt. Es sei nicht zu beanstanden, dass die nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung begründe. Darin liege kein Verstoß gegen europäisches Recht, etwa gegen die „Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8.3.10 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG“. Der deutsche Gesetzgeber sei mit den nationalen Regelungen deutlich über die europäischen Mindestvorgaben hinausgegangen. Verlangt werde von den Mitgliedstaaten nur die Einräumung eines Anspruchs auf eine viermonatige Elternzeit. Nur in diesem Mindestumfang müsse der nationale Gesetzgeber auch das europarechtliche Verlangen nach sozialrechtlicher Kontinuität beachten, dürfe also den Eltern grundsätzlich nicht den Schutz durch eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung versagen. Die nationalen Regelungen schützten Arbeitnehmer auch deshalb hinreichend, weil diese während der Elternzeit einem Kündigungsschutz unterlägen. Die vorliegende Konstellation habe daher nur durch die Mitwirkung der Klägerin – durch Zustimmung zu der Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich – eintreten können.
Quelle | LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.8.2016, L 1 AL 61/14, Abruf-Nr. 188816 unter www.iww.de.
| Behält sich der Arbeitgeber vertraglich vor, über die Höhe eines Bonusanspruchs nach billigem Ermessen zu entscheiden, kann das Gericht dies voll überprüfen. Entspricht die Entscheidung nicht billigem Ermessen, ist sie unverbindlich. Das Gericht setzt die Bonushöhe dann auf Grundlage der Parteivorträge fest. |
Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Arbeitnehmers, der als Managing Director beschäftigt war. In seinem Arbeitsvertrag war vereinbart, dass er am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am Deferral Plan teilnimmt. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung erhielt er für das Geschäftsjahr 2009 eine garantierte Leistung in Höhe von 200.000 EUR, für 2010 eine Leistung in Höhe von 9.920 EUR. Für das Jahr 2011 erhielt er keinen Bonus oder Deferral Award. Andere Mitarbeiter erhielten Leistungen, die sich der Höhe nach überwiegend zwischen einem Viertel und der Hälfte der jeweiligen Vorjahresleistung bewegten.
Mit der Klage begehrt der Arbeitnehmer einen Bonus für 2011 von mindestens 52.480 EUR. Das Arbeitsgericht verurteilte seinen Arbeitgeber, 8.720 EUR zu zahlen. Das LAG wies die Klage ab. Der Arbeitnehmer habe keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen, die es dem Gericht ermöglichen würden, die Bonushöhe festzusetzen.
Die Revision des Arbeitnehmers hatte vor dem BAG Erfolg. Die Richter entschieden, dass er nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien einen Anspruch auf einen Bonus und/oder Deferral Award habe, der nach billigem Ermessen festzusetzen sei. Mangels hinreichender Darlegungen des Arbeitgebers sei die Festsetzung auf null für das Jahr 2011 unverbindlich. Die Leistungsbestimmung habe in einem solchen Fall durch das Gericht zu erfolgen. Grundlage dafür sei der Sachvortrag der Parteien. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn gebe es nicht. Das Gericht setze die Leistung nur dann nicht fest, wenn jegliche Anhaltspunkte hierfür fehlen. Dies sei hier nicht der Fall. Der Senat wies den Streit daher an das LAG zurück. Dort muss nun die Bonushöhe für 2011 festgesetzt werden.
Quelle | BAG, Urteil vom 3.8.16, 10 AZR 710/14, Abruf-Nr. 188161 unter www.iww.de.
| Lädt eine Stadt einen schwerbehinderten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, wird vermutet, dass er wegen der Schwerbehinderung benachteiligt wurde. Er hat dann einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG. |
Das musste sich eine Stadt vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) sagen lassen. Sie hatte die Stelle eines „Techn. Angestellte/n für die Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik“ ausgeschrieben. In der Stellenausschreibung heißt es u.a.: „Wir erwarten: Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr. Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation; …“. Der mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderte Kläger, der ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich „Alternative Energien“ ist, bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. Er fügte seinem Bewerbungsschreiben einen ausführlichen Lebenslauf bei. Die beklagte Stadt lud den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und entschied sich für einen anderen Bewerber.
Der Kläger hat von der beklagten Stadt eine Entschädigung verlangt. Das begründet er damit, dass die Stadt ihn wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert habe. Sie hätte ihn nach § 82 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Das habe sie nicht getan. Bereits dieser Umstand begründe die Vermutung, dass er wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei. Die beklagte Stadt hat sich darauf berufen, sie habe den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, da dieser für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet sei. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger als Entschädigung drei Bruttomonatsverdienste zugesprochen, das Landesarbeitsgericht einen.
Die Revision der Stadt hatte beim BAG keinen Erfolg. Die Richter stellten klar: Weil die Stadt den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, hat sie die Vermutung begründet, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung aus dem Auswahlverfahren vorzeitig ausgeschieden und dadurch benachteiligt wurde. Die Stadt könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch hätte einladen müssen. Sie habe auf der Grundlage der Angaben des Klägers in seiner Bewerbung nicht davon ausgehen dürfen, dass diesem die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehle.
Quelle | BAG, Urteil vom 11.8.2016, 8 AZR 375/15, Abruf-Nr. 188160 unter www.iww.de.