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Verkehrsrecht

Fahrverbot: BAB: Kein Augenblicksversagen bei Wechselverkehrszeichenanlage

| Ein Autofahrer kann sich in der Regel nicht auf ein sogenanntes Augenblicksversagen berufen, wenn er auf einer Bundesautobahn die angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, die durch eine sich über die Breite mehrerer Fahrspuren erstreckende hochgestellte Wechselverkehrszeichenanlage angezeigt wird. |

Das hat das Amtsgericht Helmstedt entschieden. Nach Ansicht des Richters habe der Betroffene das Wechselverkehrszeichen nicht gesehen. Das beweise der Umstand, dass er über eine längere Zeitspanne das Wechselverkehrszeichen nicht gesehen hat. Aus diesem Grund könne nicht von einer kurzfristigen Unaufmerksamkeit des Betroffenen im Sinne eines Augenblicksversagens ausgegangen werden.

Quelle | Amtsgericht Helmstedt, Urteil vom 11.8.2016, 15 OWi 912 Js 19328/16, Abruf-Nr. 191566 unter www.iww.de.

Ausländischer Führerschein: Wer einen anderen sein Fahrzeug fahren lässt, muss erst dessen Führerschein prüfen

| Wer es fahrlässig anordnet oder zulässt, dass ein anderer ein Fahrzeug ohne Fahrerlaubnis führt, macht sich strafbar. |

Das musste sich der Betriebsleiter einer Bäckerei vor dem Amtsgericht München sagen lassen. Der Mann führte und leitete eine Bäckerei, zu der auch ein Auslieferungs-Lkw gehörte. Für diesen Lkw stellte der Mann einen Fahrer ein und überließ ihm das Fahrzeug. Er hatte jedoch nicht überprüft, ob der Fahrer auch eine ausreichende Fahrerlaubnis besitzt.

Bei einer Verkehrskontrolle stellte sich heraus, dass der Fahrer keine Fahrerlaubnis hatte. Er besaß lediglich eine katarische Fahrerlaubnis. Diese galt nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, weil der Fahrer am Tag der Kontrolle bereits seit mehr als sechs Monaten seinen Wohnsitz in Deutschland hatte.

Vor Gericht gab der verurteilte Betriebsleiter an, er hätte nicht wissen können, dass die katarische Fahrerlaubnis in Deutschland nicht gilt. Die zuständige Richterin hat ihn dennoch verurteilt. Der Mann habe sich zwar den Führerschein vorzeigen lassen. Er habe jedoch keine näheren Informationen eingeholt, ob dieser Führerschein mit der hiesigen Fahrerlaubnisvoraussetzung des C 1 übereinstimmt und ob die ausländische Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt gültig ist. Bei Anwendung der im Verkehr erforderliche Sorgfalt hätte er erkennen müssen und können, ggf. durch Nachfrage bei den Verwaltungsbehörden, ob der Fahrer am konkreten Tattag mit dem Firmen-Lkw zum Transport auf öffentlichen Straßen zugelassen werden darf.

Es gelte also: Der Fahrzeughalter, der einen Dritten mit seinem Kraftfahrzeug fahren lässt, muss vorher prüfen, ob dieser die erforderliche Fahrerlaubnis hat. Hierbei sind an seine Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen zu stellen. Speziell bei ausländischen Fahrerlaubnissen muss sich der Halter vergewissern, ob der Führerschein in Deutschland gültig ist. Der Angeklagte hätte hierbei gegebenenfalls beim Landratsamt oder einem Automobilverband rückfragen müssen, ob (der Fahrer) im Besitz einer gültigen deutschen Fahrerlaubnis ist.

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 21.10.2016, 912 Cs 413 Js 141564/16, Abruf-Nr. unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Straßenrondell: Haftungsquote bei Verstoß gegen „rechts vor links“

| Ein Radfahrer, der eine in Form eines Rondells ausgestaltete Straßenkreuzung überquert, bei der die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt, verletzt die Vorfahrt eines von rechts in das Rondell einfahrenden Kraftfahrzeugs, wenn nicht sichergestellt ist, dass er das Rondell vor dem Kraftfahrzeug räumen kann. Wird er vom Fahrer des Kraftfahrzeugs übersehen, kann diesen ein Mitverschulden an dem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge treffen. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer 78-jährigen Radfahrerin entschieden. Diese wollte eine Kreuzung überqueren, die in Form eines Rondells angelegt ist. Es gilt die Vorfahrtsregel „rechts vor links“. Als sie in das Rondell einfuhr, näherte sich aus der aus ihrer Sicht rechts gelegenen Straße die Beklagte mit ihrem Pkw VW Golf. Im Rondell prallte die Radfahrerin auf die vordere linke Ecke des Pkw. Dabei zog sie sich einen schwerwiegenden Bruch des Schienbeinkopfes zu, der aufgrund eines komplikationsreichen Heilungsverlaufs mehrfach operativ versorgt werden musste. Sie verlangt nun von der Autofahrerin Ersatz ihres materiellen Schadens, insbesondere einen Haushaltsführungsschaden, von noch ca. 4.000 EUR und ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 EUR.

Das Landgericht hat der Schadenersatzklage überwiegend stattgegeben und der Klägerin ein 20 prozentiges Mitverschulden zugerechnet. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG den Mitverschuldensanteil der Klägerin mit 60 Prozent bemessen. Es hat daher der Klage dem Grunde nach mit einer 40-prozentigen Haftungsquote der Beklagten stattgegeben.

In dem Verkehrsunfall habe sich, so der Senat, die durch ein Verschulden erhöhte Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten, aber auch ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin ausgewirkt.

  • Der Klägerin sei eine Vorfahrtsverletzung anzulasten. Als sie in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, habe sie das Fahrzeug der Beklagten als bevorrechtigtes Fahrzeug erkennen können und auch erkannt. Den Vorrang dieses Fahrzeugs habe sie beachten und es vor dem Überqueren der Kreuzung passieren lassen müssen. Vor dem Fahrzeug der Beklagten habe die Klägerin nur dann in die Kreuzung einfahren dürfen, wenn sichergestellt gewesen sei, dass sie die Kreuzung auch vor der vorfahrtsberechtigten Beklagten habe räumen können. Das Unfallereignis zeige, dass dies im vorliegenden Fall nicht gewährleistet gewesen sei. Dass der Beklagten ebenfalls ein Verkehrsverstoß anzulasten sei, entlaste die Klägerin nicht. Ein vorschriftswidriges Verhalten des Vorfahrtsberechtigten lasse sein Vorfahrtsrecht grundsätzlich nicht entfallen.
  • Auch die Beklagte treffe ein gravierendes Verschulden an der Entstehung des Unfalls. Beim Einfahren in das Rondell habe sie das bereits in das Rondell eingefahrene Fahrrad der Klägerin offensichtlich übersehen. Damit habe sie ihre allgemeine Rücksichtnahmepflicht verletzt. Hätte sie auf die Klägerin geachtet, wäre der Unfall für sie dadurch zu vermeiden gewesen, dass sie nicht in das Rondell eingefahren wäre. Sie sei zwar bevorrechtigt gewesen. Dies gebe ihr aber nicht das Recht, ihr erkennbar durch die Klägerin verletztes Vorfahrtsrecht ohne Rücksicht auf die Klägerin durchzusetzen.

Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge an der Entstehung des Unfalls rechtfertigten eine Haftungsquote von 60 Prozent zulasten der Klägerin und von 40 Prozent zulasten der Beklagten.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 17.1.2017, 9 U 22/16, Abruf-Nr. 193128 unter www.iww.de.

Unfallschaden: Totalschaden nach Reparatur und noch vor Übergabe an Kunden

| Wurde ein Fahrzeug im Rahmen eines Werkstattauftrags repariert, aber vor Übergabe an den Kunden bei einem Unfall zum Totalschaden, muss der Kunde die Reparaturkosten nicht bezahlen. Allerdings hat die Werkstatt aus abgetretenem Recht einen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger in Höhe des entgangenen Werklohns. |

So entschied es das Landgericht (LG) Bonn. Das Fahrzeug war fertig, es kam zu einem Unfall. So etwas kann wie im Urteilsfall bei einer Probefahrt geschehen, aber auch bei einem Rangierunfall auf dem Hof. Der Schaden der Werkstatt besteht nun darin, den Werklohn beim Kunden nicht durchsetzen zu können. Deshalb griff das Gericht zum Instrument der Drittschadensliquidation. Die Konstruktion: Beim Fahrzeugeigentümer ist ein Schadenersatzanspruch entstanden, der bezogen auf die offenen Lohnkosten inhaltsleer ist, weil der Fahrzeugeigentümer diese nicht bezahlen muss. Durch die Drittschadensliquidation werden nun der „leere“ Anspruch des Eigentümers und der dem Dritten (der Werkstatt) entstandene Schaden zusammengeführt.

Quelle | LG Bonn, Urteil vom 20.11.2012, 8 S 186/12, Abruf-Nr. 132178 unter www.iww.de  .

Urkundenfälschung: Fahren mit falschen amtlichen Kfz-Kennzeichen

| Der BGH hat noch einmal zur Urkundenfälschung (§ 267 StGB) durch Fahren mit einem gefälschten Kfz-Kennzeichen Stellung genommen. |

Nach der Entscheidung gilt: Der Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde gemäß § 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB ist verwirklicht, wenn ein mit falschen amtlichen Kennzeichen versehenes Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr genutzt wird.

Wird mit dem Fahrzeug häufiger gefahren, liegt aber ggf. dennoch nur eine Urkundenfälschung vor. Das ist der Fall, wenn dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht. Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf die Strafhöhe wichtig.

Quelle | BGH, Urteil vom 26.10.16, 4 StR 354/16, Abruf-Nr. 190297 unter www.iww.de.

Strafrecht: Beifahrer kann für gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr bestraft werden

| Öffnet ein Beifahrer die Beifahrertür eines fahrenden Pkw, um einen neben dem Fahrzeug befindlichen Radfahrer auffahren zu lassen oder zu einem riskanten Ausweichmanöver zu zwingen, kann er wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu bestrafen sein. |

Das hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm beschlossen und damit das erstinstanzliche Strafurteil des Amtsgerichts Paderborn und das Berufungsurteil der kleinen Strafkammer des Landgerichts Paderborn bestätigt.

Der Angeklagte war als Beifahrer im Pkw seines mitangeklagten Bekannten unterwegs. An einer Kreuzung wollen die beiden rechts abbiegen. Als der Mitangeklagte anfuhr, überholte ihn ein schnell fahrender Radfahrer auf der rechten Fahrzeugseite und bog sodann knapp vor dem Mercedes nach rechts ab. Der Mitangeklagte musste bremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Aufgrund der riskanten Fahrweise entschlossen sich beide Angeklagten, den Fahrradfahrer „vom Rad zu holen“ und ihn für sein Verhalten zur Rede zu stellen. Der Mitangeklagte beschleunigte und hupte. Dann überholte er den Fahrradfahrer und lenkte den PKW sodann schräg nach rechts, um dem Radfahrer den Weg abzuschneiden. Der Angeklagte öffnete gleichzeitig ein Stück weit die Beifahrertür. Beide nahmen billigend in Kauf, dass der Radfahrer stürzen und sich erheblich verletzen könnte. Weil dem Radfahrer der Fahrweg versperrt war, musste er stark bremsen und ausweichen. Dabei prallte er gegen die Rückseite eines am rechten Straßenrand geparkten Opel Corsa. Er stürzte vom Rad. Dabei zog er sich Prellungen und Schürfwunden zu. Die beiden Angeklagten fuhren weiter, ohne sich um den Radfahrer zu kümmern. Der Sachschaden betrug ca. 600 EUR.

Der Strafrichter verurteilte die beiden Angeklagten jeweils wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten. Das Landgericht bestätigte das Urteil. Die Revision vor dem OLG blieb ebenfalls erfolglos.

Nach der Entscheidung des OLG ist der Angeklagte zu Recht insbesondere wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden. Der Angeklagte sei, so der Strafsenat, Mittäter. Dabei sei unschädlich, dass er als Beifahrer den PKW nicht selbst gelenkt habe. Täter der Straftat eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr könne jeder sein, der das nach dem gesetzlichen Tatbestand zu bestrafende Verhalten beherrsche. In dem hier vorliegenden Fall eines sogenannten verkehrsfremden Inneneingriffs komme es insoweit nicht auf das Führen des Fahrzeugs an. Entscheidend sei vielmehr, dass das Fahrzeug nicht mehr als Mittel der Fortbewegung, sondern zur Verletzung oder Nötigung eingesetzt werde. In diesem Sinne habe auch der Angeklagte den Mercedes eingesetzt. Er habe die Beifahrertür bewusst geöffnet, um gemeinsam mit dem Mitangeklagten, der das Fahrzeug schräg nach rechts gelenkt habe, den geschädigten Radfahrer abzudrängen und „vom Rad zu holen“.

Angeklagter und Mitangeklagter hätten damit vorsätzlich ein Hindernis bereitet. Der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs sei mit einer verkehrsfeindlichen Einstellung beider Angeklagten erfolgt. Es sei ihnen gezielt darauf angekommen, den Radfahrer vom Rad zu holen und zu verletzen. Das habe das Landgericht zu Recht auch der in der Hauptverhandlung wiederholten Äußerung des Angeklagten entnommen, er hätte den Geschädigten Radfahrer „totgeschlagen“, wenn dieser nicht gestürzt wäre.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 31.1.2017, 4 RVs 159/16, Abruf-Nr. 193127 unter www.iww.de.

Entziehung der Fahrerlaubnis: Mangelnde Fahreignung wegen nicht mehr ausreichender psychophysischer Leistungsfähigkeit

| Beim 55. Verkehrsgerichtstag 2017 in Goslar hat sich einer der Arbeitskreise mit „Senioren im Straßenverkehr“ befasst. Die Thematik ist auch Gegenstand eines Beschlusses des Verwaltungsgerichts (VG) Augsburg. Dort ging es um die Entziehung der Fahrerlaubnis. Das VG sagt: Scheitert ein Fahrerlaubnisinhaber in einem psychologischen Testverfahren, weil er diesem nicht mehr gewachsen ist und die Testanweisung nicht versteht, führt das im Zweifel dazu, dass ihm die Fahrerlaubnis sofort entzogen werden kann. |

Der Betroffene war 75 Jahre alt. Nach einem Kleinunfall machte er einen verwirrten und unsicheren Eindruck auf die herbeigerufenen Polizeibeamten. Die Polizei regte an, die Fahreignung medizinisch überprüfen zu lassen. Das Landratsamt forderte den Betroffenen unter Hinweis auf diesen Unfall und einen weiteren aus dem Jahr 2011 auf, ein Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation für Neurologie und/oder Psychiatrie zur Frage seiner Fahreignung beizubringen.

In einem daraufhin vorgelegten Gutachten wurde Demenz attestiert, und zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Alzheimer-Typ. Das Gutachten äußerte Bedenken hinsichtlich der Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 1. In einer „Verkehrspsychologischen Zusatzuntersuchung“ wurde festgestellt, dass der Betroffene nicht mehr über ein ausreichendes Leistungsvermögen verfüge, um Kraftfahrzeuge der Gruppe 1, Klasse 1 und 3 zu führen. Von einer Ausgleichbarkeit sei nicht auszugehen. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dem Antragsteller daraufhin die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 (Ziffer 1) entzogen.

Der Antragsteller hat Widerspruch eingelegt. Er hat beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen. Sein Antrag hatte beim VG Augsburg keinen Erfolg.

Aufgrund der vom Gutachter festgestellten Fahrungeeignetheit des Betroffenen musste die Fahrerlaubnisbehörde dessen Fahrerlaubnis nämlich zwingend entziehen. Sie hatte bei dieser Entscheidung kein Ermessen. Geholfen haben in dem Zusammenhang auch nicht Ausführungen des (Erst)Gutachters, wonach aufgrund der langjährigen Fahrpraxis des Antragstellers davon auszugehen sei, dass er in der Lage sei, seine Defizite „zu einem gewissen Teil“ auszugleichen. Denn insoweit hatte der Gutachter keine eindeutige Aussage zum Vorliegen oder Nichtvorliegen der Fahreignung getroffen, sondern die Zusatzuntersuchung angeregt. Die ist aber mit dem für den Antragsteller negativen Ergebnis durchgeführt worden.

Quelle | VG Augsburg, Urteil vom 15.12.2016, Au 7 S 16.1493, Abruf-Nr. 192164 unter www.iww.de.

Falschparker: Elektrofahrzeug kann an Ladestation abgeschleppt werden – wenn es dort nicht auflädt

| Das Amtsgericht Charlottenburg musste sich mit einem Abschleppfall der etwas anderen, moderneren Art befassen. Es ging um die Kosten für das Abschleppen eines Elektrofahrzeugs, das an einer Ladestation abgestellt war, ohne dort auch zu laden. Derartige Fälle werden in Zukunft sicher häufiger auftreten. |

Der Kläger hatte ein Elektrofahrzeug in einem Straßenabschnitt in Berlin abgestellt. Die Straße war zur Privatstraße umgewidmet und auch als solche ausgeschildert. In dem Straßenabschnitt hatte die Eigentümerin ein Halteverbotsschild mit dem Zusatz „Widerrechtlich geparkte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“ anbringen lassen. Darunter war ein weiteres Schild mit dem Zusatz „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs frei“ befestigt. Eine der beiden Ladestationen war bereits durch ein anderes Fahrzeug belegt, das sich im Aufladevorgang befand. Bei der zweiten – freien – Ladestation war das Kabel nicht für das vom Kläger genutzte Fahrzeug geeignet. Der Kläger stellte dennoch sein Fahrzeug auf dem entsprechend markierten Stellplatz ab. Als er zurückkehrte, war sein Fahrzeug abgeschleppt. Er erhielt es vom Abschleppunternehmen nur gegen Zahlung von 150 EUR zurück. Diese hat er mit der Klage zurück verlangt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Eigentümerin der Privatstraße ist durch das Abstellen des Elektrofahrzeugs des Klägers rechtswidrig in ihrem Besitz beeinträchtigt worden. Denn die Eigentümerin hat durch die entsprechende Beschilderung zum Ausdruck gebracht, dass das Parken grundsätzlich verboten ist. Sie hat als Ausnahme davon nur darin eingewilligt, das Parken von Elektrofahrzeugen während des Ladevorgangs auf dem Gelände innerhalb der gekennzeichneten Flächen zu dulden. Der Kläger hat sein Fahrzeug aber gegen den Willen der Eigentümerin in der Privatstraße abgestellt. Denn er hat keinen Strom bezogen oder zumindest das Fahrzeug an die Ladesäule angeschlossen. Indem der Kläger unberechtigt geparkt hat, ist der Eigentümerin ein Schaden in Höhe der Abschleppkosten entstanden.

Quelle | AG Charlottenburg, Urteil vom 16.11.2016, 227 C 76/16, Abruf-Nr. 191564 unter www.iww.de.

Mietwagen: Geschädigter kann nicht generell auf den öffentlichen Personennahverkehr verwiesen werden

| Der Versicherer des Schädigers kann den Geschädigten nicht generell auf die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verweisen. |

So sieht es das Amtsgericht Hannover. Bisher kennt man den Einwand „Bus und Bahn benutzen“ nur von den Fällen, in denen der Geschädigte mit dem Mietwagen nur wenige Kilometer gefahren ist. Und da kann es – je nach Fallgestaltung – im Einzelfall richtig sein. Hier aber lag ein Fall vor, in dem der Mietwagen ganz normal genutzt wurde. Der Versicherer trug vor, der Geschädigte lebe ja in Düsseldorf. Dort sei das Netz des ÖPNV so gut ausgebaut, dass man als Geschädigter nicht auf einen Mietwagen angewiesen sei.

Das AG Hannover ist der Ansicht, dass der Geschädigte im Grundsatz Anspruch auf einen Mietwagen hat. Der ÖPNV biete nicht die gleiche Mobilität und Qualität wie ein Fahrzeug. In dieser generalisierten Form ähnele die Behauptung des Versicherers der Argumentation, bei einer Reparaturdauer von nur einem Tag könne man diesen einen Tag auch ohne Fahrzeug auskommen. Das sei so pauschal behauptet auch falsch.

Quelle | AG Hannover, Urteil vom 07.11.2016, 420 C 7631/16, Abruf-Nr. 191076 unter www.iww.de.

Unfallschaden: Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, das Fahrzeug teilrepariert zu nutzen

| Stellt sich während der Reparatur des verunfallten Fahrzeugs heraus, dass noch ein Ersatzteil beschafft werden muss, wodurch sich die Reparaturdauer verlängert, ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, das Fahrzeug teilrepariert zu nutzen. |

So entschied es das Landgericht (LG) Koblenz. Der Geschädigte sollte nach Ansicht des Versicherers Mietwagenkosten sparen. Er sollte das behelfsmäßig reparierte Fahrzeug in der Werkstatt abholen, nutzen und nach der Lieferung des ergänzenden Ersatzteils wieder zur Reparatur geben. Das ging den Richtern jedoch zu weit. Diesen Aufwand (doppelter Fahrzeugwechsel) müsse man jedenfalls dann nicht treiben, wenn nicht absehbar sei, dass sich die Lieferung des Ersatzteils verzögert.

Hinweis | Dass das auch anders sein kann, wenn nur noch „eine Zierleiste“ fehlt und der fehlende Reparaturanteil nach der Lieferung des Teils quasi im Vorübergehen erledigt werden kann, liegt auf der Hand. Für die Einzelfallbetrachtung kann auch die Entfernung zur Reparaturwerkstatt eine Rolle spielen. Bei einem Unterwegs-Unfall mit Auswärtsreparatur am Unfallort mag das bei noch offenen unbedeutenden Reparaturresten anders zu beurteilen sein, als bei der Reparatur vor der Haustür.

Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 20.12.2016, 6 S 374/16, Abruf-Nr. 191383 unter www.iww.de.