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Verkehrsrecht

Mietwagen: Eine unfallbedingte Verletzung schließt einen Mietwagen nicht aus

| Ein Geschädigter, der durch eine unfallbedingte Verletzung in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist (HWS-Distorsion und Thoraxprellung), darf dennoch einen Mietwagen nehmen. Denn er war fahrtüchtig, entschied das Amtsgericht Torgau Zweigstelle Oschatz. |

Immer wieder kommt der Einwand, der Geschädigte sei verletzt. Deshalb dürfe er keinen Mietwagen nehmen. Die Dokumente über die Verletzung liegen dem Versicherer in solchen Fällen wegen der Schmerzensgeldforderung zwangsläufig vor. Doch auch das Amtsgericht Torgau sieht, dass eine schmerzensgeldpflichtige Verletzung nicht zwangsläufig die Fahruntüchtigkeit nach sich zieht. Und wer selbst verletzungsbedingt nicht fahren kann oder darf, kann sich nur dann fahren lassen, wenn er einen Mietwagen hat.

Quelle | Amtsgericht Torgau Zweigstelle Oschatz, Urteil vom 28.12.2017, 2 C 342/16, Abruf-Nr. 199553 unter www.iww.de.

Geschwindigkeitsüberschreitung: „Ich war zu schnell“ – reicht das?

| Wer kennt die Situation nicht: Ein Autofahrer ist nach einem angeblichen Geschwindigkeitsverstoß von der Polizei angehalten worden und hat sich geäußert mit: „Stimmt, ich war zu schnell“. Im Bußgeldverfahren will er von der Äußerung aber nichts mehr wissen. Es stellt sich die Frage, ob diese Äußerung reicht, um eine Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu begründen. |

Die Antwort gibt das Amtsgericht Dortmund. Ihm hat diese Äußerung für eine Verurteilung des Betroffenen wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit nicht ausgereicht. Durch die Äußerung seien die Anforderungen an die zu treffenden Feststellungen nicht herabgesetzt. Nicht gereicht hat dem AG zudem eine polizeiliche Schätzung der gefahrenen Geschwindigkeit des Betroffenen. Ohne konkrete Geschwindigkeitsfeststellungen müsse insbesondere ein besonderes Fahrverhalten festgestellt werden oder ein hierdurch bedingtes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Dies muss den Schluss nahelegen, dass die konkret gefahrene Geschwindigkeit zur Tatzeit den Umständen nicht angepasst gewesen ist.

Quelle | Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 6.2.2018, 729 OWi-261 Js 2511/17-379/17, Abruf-Nr. 199938 unter www.iww.de.

Mietwagen: Keine Abstufung wegen Alters oder hoher Laufleistung

| Weder ein Fahrzeugalter von mehr als zehn Jahren noch eine Laufleistung eines Pkw von 366.000 km bei fünfzehn Jahren Fahrzeugalter rechtfertigen es, dass das beschädigte Fahrzeug im Hinblick auf die Mietwagenklasseneinstufung um eine Gruppe herabgesetzt wird. |

So sieht es das Amtsgericht Zwickau in zwei Urteilen. Das Gericht begründet das damit, dass dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen darf, kein ähnlich altes oder ähnlich viel gefahrenes Fahrzeug anmieten zu können.

Quelle | Amtsgericht Zwickau, Urteil vom 13.1.2016, 22 C 1255/15, Abruf-Nr. 199675 unter www.iww.de; AG Zwickau, Urteil vom 23.1.2018, 4 C 1035/17, Abruf-Nr. 199676

Mietwagen: Reparatur fertig während beruflicher Abwesenheit

| Endet die Reparatur zu einem Zeitpunkt, an dem der Geschädigte beruflich abwesend ist, ist das dem Risikobereich des Schädigers zuzuordnen. Deshalb sind auch nach Reparaturende entstehende Mietwagenkosten vom Schädiger zu erstatten. |

So entschied es das Amtsgericht Andernach. In dem Fall hatte der Unfallgeschädigte das Fahrzeug erst drei Tage nach Reparaturende abgeholt. Er hatte aus beruflichen Gründen in erheblicher Entfernung zu tun. Der Versicherer meinte, er müsse die Mietwagenkosten nur bis zum Tag des Reparaturendes erstatten. Das fertige Fahrzeug nicht sofort abzuholen, sei ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht. Das Gericht hielt es jedoch für unzumutbar, dass der Geschädigte seinen externen Aufenthalt unterbricht. Hätte er es getan, um den Mietwagen abzugeben und sein Fahrzeug zu übernehmen, wären dadurch auch Kosten entstanden, die der Versicherer zu erstatten hätte.

Quelle | Amtsgericht Andernach, Urteil vom 22.12.2017, 62 C 590/16, Abruf-Nr. 199786 unter  www.iww.de.

Geschwindigkeitsmessung: Abweichende Fotodokumentation mit Einseitensensor ES3.0

| Beim OLG Bamberg stand eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensor vom Typ „ES3.0“ auf dem Prüfstand. Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat dabei darauf gepocht, dass die Bedienungsanleitung strikt eingehalten wird. |

Das OLG bestätigt: Von einem im standardisierten Messverfahren gewonnenen Messergebnis kann – auch bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem sog. Einseitensensor vom Typ „ES3.0“ – grundsätzlich nur ausgegangen werden, wenn die in der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers enthaltenen Vorgaben eingehalten wurden.

Von dieser Bedienungsanleitung wird bei „ES3.0“ relevant abgewichen, wenn die gerätespezifische Fotodokumentation der Messung allein durch eine funkgesteuerte, jedoch ungeeichte Zusatzfotoeinrichtung und nicht auch durch die nach der Bedienungsanleitung vorgesehenen eichpflichtigen und mittels Kabel mit der Rechnereinheit verbundenen Fotoeinrichtungen erfolgt. Ergebnis: Es darf nicht von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden.

Folge ist, dass das Amtsgericht individuell überprüfen muss, ob richtig gemessen wurde, wenn es bei einem Verstoß gegen die Bedienungsanleitung die Verurteilung dennoch auf das belastete Messergebnis stützen will. Das ist i. d. R. nicht möglich, ohne dass ein Sachverständiger für Messtechnik mitwirkt.

Quelle | OLG Bamberg, Urteil vom 15.12.2017, 2 Ss OWi 1703/171, Abruf-Nr. 199275 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Bundesrat will Strafen für Gaffer ausweiten

| Gaffer, die Videos oder Fotos von Unfällen, Anschlägen oder Naturkatastrophen aufnehmen oder im Netz verbreiten, sollen künftig auch dann bestraft werden, wenn sie damit tödlich verunglückte Opfer bloßstellen. Dies fordert der Bundesrat mit einem aktuellen Gesetzentwurf. |

Verbreitung in sozialen Netzwerken

Immer häufiger fotografieren oder filmen Schaulustige mit ihren stets griffbereiten Smartphones die Opfer von Unglücken. Die so entstandenen Bild- und Videoaufnahmen werden oft in sozialen Netzwerken verbreitet oder an Fernsehsender sowie Zeitungen weitergegeben. Dies verstößt gegen die Persönlichkeitsrechte der Opfer und ist auch für die Angehörigen unzumutbar. Der strafrechtliche Schutz gegen ein solches Verhalten ist derzeit jedoch lückenhaft, da er nur lebende Personen erfasst, begründet der Bundesrat seinen Gesetzentwurf.

Diese Lücke will er schließen, indem der Anwendungsbereich von § 201a Strafgesetzbuch auf Verstorbene erweitert wird. Unbefugte Aufnahmen von Toten und deren Verbreitung könnten dann mit Geldstrafen oder Freiheitsentzug von bis zu zwei Jahren geahndet werden. Auch der Versuch soll strafbar sein – zum Beispiel, wenn Einsatzkräfte noch rechtzeitig einschreiten konnten.

Neuer Versuch

Einen gleichlautenden Vorschlag hatte der Bundesrat bereits 2016 in den Deutschen Bundestag eingebracht – zusammen mit der Forderung, Gaffen insgesamt besser zu bekämpfen (BR-Drs. 226/16).

Der Bundestag griff diese Anliegen nur teilweise auf: Schaulustige, die den Einsatz von Rettungskräften behindern, können seit Sommer letzten Jahres wegen unterlassener Hilfeleistung bestraft werden. Das Herstellen und Verbreiten von bloßstellenden Fotos und Videos Verstorbener ist jedoch nach wie vor straffrei. Daher möchte der Bundesrat das Thema erneut in den Bundestag bringen.

Entscheidung liegt beim Bundestag

Zunächst kann die geschäftsführende Bundesregierung zu dem Entwurf Stellung nehmen. Anschließend leitet sie ihn an den Bundestag weiter. Wann und ob dieser sich mit dem Vorschlag des Bundesrats beschäftigt, entscheidet allein der Bundestag. Feste Fristvorgaben gibt es dazu nicht.

Quelle | Plenarsitzung des Bundesrats am 2.3.1831

Trunkenheitsfahrt: Ein zu kurzer Abstand nach Alkoholkonsum kann den Führerschein kosten

| Wer sich nach dem Genuss von Alkohol zu schnell wieder ans Steuer setzt, riskiert seinen Führerschein. |

Auf diese eigentlich bekannte Tatsache musste erneut das Amtsgericht München hinweisen. Betroffen war ein 22-jähriger Mann. Er war abends gegen 20.30 Uhr von der Polizei kontrolliert worden. Der Mann war mit seinem Pkw mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit unterwegs. Dabei konnte er sich nicht auf dem mittleren Fahrstreifen halten. Bei der Kontrolle musste er sich immer mit der Hand an seinem Fahrzeug abstützen. Die Untersuchung der um 21.15 Uhr entnommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,96 Promille.

Der Mann war zuvor bereits zweimal wegen Geschwindigkeitsüberschreitung aufgefallen. Er räumte in der Hauptverhandlung ein, dass er mittags ein bis zwei Bier und dann auf dem Oktoberfest eine Maß Bier getrunken habe. Da er nach 14 Uhr keinen Alkohol mehr konsumiert hätte, habe er sich fahrtauglich gefühlt.

Die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten schilderten die genannten Auffälligkeiten im Fahrverhalten und bei der anschließenden Kontrolle. Die Rechtsmedizinerin führte aus, dass bei angegebenem Trinkende um 14.00 Uhr eine Rückrechnung der Alkoholisierung auf 1,03 Promille zur Tatzeit möglich sei. Die angegebene Trinkmenge könnte zutreffend sein. Dass der Angeklagte die Fahrspur nicht habe halten können, sei Zeichen einer alkoholbedingten Einschränkung der Aufmerksamkeit. Ferner sei unter Alkoholeinfluss das Risikoverhalten um ein Neunfaches erhöht. Dies zeige sich in Form von Geschwindigkeitsüberschreitungen. Zudem habe er wohl wegen der Standunsicherheit Kontakt zu seinem Fahrzeug gesucht.

Der zuständige Strafrichter schloss sich den Ausführungen der Rechtsmedizinerin an. Er verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von zwei Monatsgehältern. Außerdem entzog er ihm die Fahrerlaubnis und bestimmte die Sperrfrist für die Neuerteilung auf sechs Monate. Die gemessene BAK liege zwar „…geringfügig unter dem Grenzwert zur absoluten Fahruntauglichkeit von 1,1 Promille. Dass der Angeklagte alkoholbedingt nicht in der Lage war, dass Fahrzeug sicher im Verkehr zu steuern (relative Fahruntüchtigkeit) ergibt sich aus der Gesamtschau der Umstände. Auch wenn der Angeklagte, wie dem verlesenen Fahreignungsregister zu entnehmen ist, es mit der Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit nicht genau nimmt, so beruht dies vorliegend zumindest auch auf einer alkoholbedingten Enthemmung. Diese Umstände, kombiniert mit den von den Polizeibeamten geschilderten motorischen Ausfallerscheinungen, den Aufmerksamkeitsdefiziten und der optischen Fehlorientierung, belegen zur Überzeugung des Gerichts, dass die erforderliche verkehrsspezifische Gesamtleistungsfähigkeit des Angeklagten nicht mehr gegeben war.“

Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 10.1.2018, 912 Cs 436 Js 193403/17, Abruf-Nr. 200129 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Keine Schadenersatzansprüche bei ungeklärter Schuldfrage

| Stoßen zwei Radfahrer zusammen, sind gegenseitige Schadenersatzansprüche unbegründet, wenn sich nicht aufklären lässt, wer von beiden den Unfall verursacht hat. |

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. in einem entsprechenden Fall. Zwar habe der eine Radfahrer im Bußgeldverfahren angegeben, er sei wohl „sehr weit links gefahren“. Das reichte den Richtern jedoch nicht aus, um die Schuldfrage zutreffend beantworten zu können. Die Angabe sei viel zu unspezifiziert. Selbst wenn der Radfahrer „sehr weit links gefahren“ wäre, müsse er nicht unbedingt in die Gegenfahrspur geraten sein. Sie wiesen daher die Schadenersatzklage des anderen Radfahrers ab.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 6.12.2017, 13 U 230/16, Abruf-Nr. 200130 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Reparatur gemäß Gutachten auch bei unbezahlter Rechnung

| Grundsätzlich darf sich der Geschädigte auf das Schadengutachten verlassen und den Auftrag zur Reparatur gemäß den gutachterlichen Feststellungen erteilen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er die Rechnung bereits bezahlt hat. |

So sieht es das Amtsgericht Hattingen. Das Urteil begründet das damit, dass das Vertrauen des Geschädigten in das Schadengutachten geschützt sei. Anders als bei den sonstigen Schadenpositionen, so z. B. bei den Gutachtenkosten, wird der Reparaturauftrag vom Geschädigten nicht „freihändig“, sondern gestützt auf das Gutachten, erteilt. Und das macht den Unterschied aus. Wörtlich heißt das beim Amtsgericht: „Der Unterschied ist, dass in diesem Fall bereits ein Sachverständigengutachten zur Schadenschätzung eingeholt wurde, während bei der Beauftragung eines Sachverständigen noch keine Anhaltspunkte für die möglichen Kosten vorliegen.“

Quelle | Amtsgericht Hattingen, Urteil vom 14.11.2017, 6 C 11/17, Abruf-Nr. 198526 unter  www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Pkw mit Allrad, ein Reifen beschädigt, zwei ersetzt

| Wird bei einem Haftpflichtschaden ein Reifen beschädigt und werden auf der Achse beide Reifen erneuert, um Unterschiede beim Abrollumfang zu vermeiden, so kommt ein „Neu für alt-Abzug“ zwar in Betracht. Er ist aber im Einzelfall nicht vorzunehmen, wenn dem Geschädigten daraus kein wirtschaftlicher Vorteil erwächst. |

So entschied es das Amtsgericht Stuttgart. Die Reifen hatten noch ca. 5 mm Profil. Damit bekommt der Geschädigte nun 2,5 bis 3 mm Profil hinzu. Damit ist er zwar auf den ersten Blick wirtschaftlich bessergestellt, denn er muss die Reifen nun später ersetzen. Weil jedoch beim Allradfahrzeug alle vier Räder etwa den gleichen Abrollumfang haben sollen, muss er sie erneuern, wenn er irgendwann die anderen beiden Reifen ersetzt. Also kann er das unfallbedingt hinzugekommene Profil nicht aufbrauchen.

Quelle | Amtsgericht Stuttgart, Urteil vom 21.11.2017, 43 C 2284/17, Abruf-Nr. 198795 unter www.iww.de.