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Arbeitsrecht

Schwerbehinderung: Arbeitnehmer muss Ende der Schwerbehinderung anzeigen

| Hat der Arbeitnehmer bei Einstellung dem Arbeitgeber gegenüber mitgeteilt, dass eine Schwerbehinderung besteht, hat er die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Arbeitgeber zu informieren, wenn sich der Grad der Behinderung so ändert, dass der Status als schwerbehinderter Mensch entfällt.

Das machte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen deutlich. Es ist nach Ansicht der Richter daher ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers, wenn er sich in einem Antrag auf Teilnahme an der Telearbeit und bei Gesprächen über eine mögliche Versetzung auf den Status als schwerbehinderter Mensch bezieht, obgleich er weiß, dass dies nicht (mehr) zutrifft.

Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 8.8.2018, 13 Sa 1237/17, Abruf-Nr. 205354 unter www.iww.de.

Bauwirtschaft: SokaSiG ist aus Sicht des Zehnten Senats verfassungsgemäß

| Das am 25.5.17 in Kraft getretene Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz – SokaSiG) vom 16.5.17 ist nach Auffassung des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verfassungsgemäß. |

Klägerin ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse des Baugewerbes (ULAK), eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Sie verlangt von dem beklagten Trockenbaubetrieb auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte. Außerdem stützt sie die Beitragsansprüche auf das SokaSiG.

Die ULAK hat in beiden Vorinstanzen obsiegt. Das Landesarbeitsgericht hat der Beitragsklage aufgrund des SokaSiG stattgegeben.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat des BAG keinen Erfolg. Das SokaSiG ist kein nach Art. 19 Abs. 1 GG verbotenes Einzelfallgesetz. Es stellt lediglich sicher, dass alle verbliebenen Fälle gleichbehandelt werden. Der Gesetzgeber hat die Grenzen beachtet, die aus dem Rechtsstaatsprinzip für echte rückwirkende Rechtsetzung folgen. Ein schützenswertes Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen der verschiedenen Fassungen des VTV konnte sich nicht bilden. Die Betroffenen mussten mit staatlichen Maßnahmen zur rückwirkenden Heilung der nur aus formellen Gründen unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen rechnen.

Quelle | BAG, Urteil vom 20.11.2018, 10 AZR 121/18, Abruf-Nr. 205878 unter www.iww.de.

Streikrecht: Gewerkschaft darf auf Firmenparkplatz Streikposten aufstellen

| Will eine streikführende Gewerkschaft Arbeitnehmer eines Betriebs für die Teilnahme am Streik gewinnen, darf sie diese unmittelbar vor dem Betreten des Betriebs ansprechen. Das ist vom Streikrecht umfasst. Eine solche Aktion kann – abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – mangels anderer Mobilisierungsmöglichkeiten auch auf einem vom bestreikten Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgebäude zulässig sein. |

Diese Klarstellung traf das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Unternehmens, dass in einem außerörtlich gelegenen Gewerbegebiet ein Versand- und Logistikzentrum betreibt. Zu dem von ihr gepachteten Gelände gehört ein Betriebsgebäude. Dies ist über einen zentralen Eingang zugänglich. Für die Mitarbeiter steht zudem ein ca. 28.000 qm großer Parkplatz zur Verfügung. Im September 2015 wurde das Unternehmen an zwei Tagen bestreikt. Die streikführende Gewerkschaft baute an beiden Tagen auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang Stehtische und Tonnen auf. Sie postierte dort ihre Vertreter sowie streikende Arbeitnehmer. Diese verteilten Flyer und forderten die zur Arbeit erschienenen Arbeitnehmer auf, am Streik teilzunehmen. Zu physischen Zugangsbehinderungen kam es nicht. Ähnliches wiederholte sich bei einem eintägigen Streik im März 2016.

Mit seiner Klage hat das Unternehmen verlangt, dass künftig solche Aktionen unterlassen werden. Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen; das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision blieb vor dem BAG ohne Erfolg. Die Richter haben die widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen auf Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite gegeneinander abgewogen. Im konkreten Fall ergab das, dass es das Unternehmen hinnehmen muss, wenn sein Besitz kurzzeitig beeinträchtigt wird. Angesichts der örtlichen Verhältnisse kann die Gewerkschaft nur auf dem Firmenparkplatz vor dem Haupteingang mit den zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmern kommunizieren und im Gespräch versuchen, auf Arbeitswillige einzuwirken.

Quelle | BAG, Urteil vom 20.11.2018, 1 AZR 189/17, Abruf-Nr. 205879 unter www.iww.de.

Betriebsvereinbarung: Bei mehreren Betriebsvereinbarungen gilt das Ablösungsprinzip

| Regeln mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen denselben Gegenstand, gilt das Ablösungsprinzip. |

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hin. Dies bedeutet, dass eine neue Betriebsvereinbarung grundsätzlich eine ältere ablöst. Dies gilt nach Ansicht der Richter auch, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist.

Quelle | LAG Niedersachsen, Urteil vom 25.5.2018, 3 Sa 1334/16 B, Abruf-Nr. 204793 unter www.iww.de.

Direktionsrecht: Arbeitgeber darf Versetzung anordnen, um auf konkreten Konflikt zu reagieren

| Der Arbeitgeber darf als Reaktion auf eine konkrete Konfliktlage im bisherigen Arbeitsbereich einen Arbeitnehmer in einen anderen Arbeitsbereich und eine andere Schicht um- oder versetzen, um dadurch den Betriebsfrieden und/oder -ablauf zu sichern oder wiederherzustellen. Dies ist eine billige Direktionsrechtsausübung. Sie begründet sich durch das berechtigte betriebliche Interesse. |

Das folgt aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf. Die Richter machten in ihrer Entscheidung darauf aufmerksam, dass der Arbeitgeber grundsätzlich alleine entscheiden dürfe, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Insbesondere ist er nicht gehalten, zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die Konfliktlage aufzuklären. Der damit verbundene Aufwand und Zeitverlust sind dem Arbeitgeber regelmäßig in solchen Fällen gerade deshalb unzumutbar, weil er schnell reagieren muss.

Das bedeutet aber nicht, dass er im Prozess nicht konkret vortragen müsse. So müsse er wenigstens die Konfliktlage selbst und ihre Auswirkungen auf Betriebsfrieden und/oder Betriebsablauf konkret und – soweit streitig – unter Beweisantritt darlegen. Die innerbetriebliche Konfliktlage ist kein „Freifahrtschein“ für quasi jedwede Ausübung des Weisungsrechts. Vielmehr ist konkret zu der behaupteten Konfliktlage selbst und zu deren Auswirkungen auf Betriebsfrieden und/oder -ablauf vorzutragen, um überhaupt zur Annahme eines berechtigten betrieblichen Belanges für die Weisung zu kommen. Sodann sind diese Belange mit den gegen die Weisung sprechenden Interessen des betroffenen Arbeitnehmers abzuwägen.

Zu den in die Interessenabwägung einzubeziehenden, gegen eine Um- oder Versetzung sprechenden Interessen des betroffenen Arbeitnehmers gehören unter anderem die Außenwirkung der von ihm als „Bestrafung“ empfundenen Maßnahme im Betrieb sowie wirtschaftliche Auswirkungen wie der Wegfall einer bisher erlangten Schichtzulage.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 31.7.2018, 3 Sa 130/18, Abruf-Nr. 204735 unter www.iww.de.

Urlaubsrecht: Altersteilzeit: Während der Freistellungsphase entsteht kein Urlaubsanspruch

| Während der Freistellungsphase einer Altersteilzeit im Blockmodell entstehen keine Urlaubsansprüche. |

So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf im Fall eines Arbeitnehmers, der sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befand. Er meinte, ihm stünde auch dort ein Urlaubsanspruch zu. Seine Klage auf Urlaubsabgeltung hatte jedoch keinen Erfolg.

Die Richter am LAG wiesen seine Klage ab. Sie begründeten das damit, dass die Freistellungsphase faktisch einer „Teilzeit Null“ entspricht, da keinerlei Arbeitsleistung mehr zu erbringen ist. Aus dem für Teilzeitarbeitsverhältnisse bestehenden Umrechnungsgrundsatz ergibt sich damit ein Urlaubsanspruch von „Null“ Tagen.

Das folge daraus, dass bei Teilzeitbeschäftigten eine Umrechnung erfolgen muss. Die Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht pro Kalenderwoche ist mit der Anzahl der Urlaubstage zueinander ins Verhältnis zu setzen. Dies hat – sofern Vollbeschäftigte in einer 5-Tage-Woche arbeiten – in der Weise zu geschehen, dass die Gesamtdauer des Urlaubs durch 5 geteilt und mit der Zahl der Tage multipliziert wird, in welcher der Teilzeitbeschäftigte pro Woche zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Da der Kläger keinerlei Arbeitsleistung zu erbringen hatte, ergibt sich folgende Berechnung: 30: 5 x 0 = 0.

Dieser Berechnung kann nicht entgegengehalten werden, dass im ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche entstehen, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wird. Im ruhenden Arbeitsverhältnis findet die für Teilzeitbeschäftigte geltende Umrechnungsformel lediglich deshalb keine Anwendung, weil „an sich“ eine Arbeitsverpflichtung besteht, diese lediglich ruht. Das ist der entscheidende Unterschied zur Altersteilzeit im Blockmodell. Während der Freistellungsphase wird die Arbeitspflicht nicht lediglich suspendiert. Sie besteht per se nicht mehr.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 13.7.2018, 6 Sa 272/18, Abruf-Nr. 204737 unter www.iww.de.

Betriebsrat: Anspruch auf Informationen zur Aufgabenwahrnehmung

| Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend unterrichten sowie auf dessen Verlangen Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewähren. |

Hieraus folgt nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Anspruchsvoraussetzung ist damit zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich ist. Dies muss der Betriebsrat darlegen. Erst anhand dieser Angaben können der Arbeitgeber und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Auskunftspflicht oder ggf. ein Einsichtsrecht vorliegen. Ein Auskunftsanspruch besteht weiterhin nicht erst dann und nicht nur insoweit, als Beteiligungsrechte aktuell sind. Dem Betriebsrat soll es durch die Auskunft ermöglicht werden, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und ob er zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden muss.

Quelle | BAG, Beschluss vom 24.4.2018, 1 ABR 3/17, Abruf-Nr. 205174 unter www.iww.de.

Arbeitslohn: Reisezeiten bei Auslandsentsendung müssen vergütet werden

| Entsendet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland, sind die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeit zu vergüten. |

Das folgt aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Geklagt hatte ein bei einem Bauunternehmen tätiger technischer Mitarbeiter. Dieser wurde auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland beschäftigt. 2015 schickte ihn sein Arbeitgeber für drei Monate auf eine Baustelle nach China. Auf seinen Wunsch buchte der Arbeitgeber für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai. Für die vier Reisetage zahlte der Arbeitgeber die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden, insgesamt 1.149,44 EUR brutto. Mit seiner Klage verlangt der Arbeitnehmer Vergütung für weitere 37 Stunden. Er meint, die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei wie Arbeit zu vergüten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Fünften Senat des BAG teilweise Erfolg. Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers. Sie sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich ist dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfällt. Mangels ausreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeiten des Klägers konnte der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Er hat das Berufungsurteil daher aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dort muss neu verhandelt und entschieden werden.

Quelle | BAG, Urteil vom 17.10.2018, 5 AZR 553/17, Abruf-Nr. 204974 unter www.iww.de.

Abmahnung: Pflichtverletzung muss in Abmahnung konkret und bestimmt dargestellt werden

| In einer Abmahnung muss der Anlass und die Eigenart einer beanstandeten Pflichtverletzung in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkret und bestimmt dargestellt werden. |

Hierauf hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hingewiesen. Die Richter begründeten das damit, dass eine zur Personalakte genommene Abmahnung regelmäßig Relevanz für mehrere Jahre hat. Daher müsse der Vorwurf über Jahre hinweg rekonstruierbar bleiben. Das gelinge nur, wenn der Vorwurf nachvollziehbar und konkret geschildert werde.

Quelle |  LAG Köln, Urteil vom 19.4.2018, 7 Sa 625/17, Abruf-Nr. 204660 unter www.iww.de.

Arbeitsunfall: ArbG organisiert Skireise und ArbN stürzt = kein Arbeitsunfall

| Ein Unfall beim Skifahren im Rahmen einer mehrtägigen vom ArbG finanzierten und organisierten Reise zur Teambildung gilt nicht als Arbeitsunfall. |

Zu diesem Ergebnis kam das Sozialgericht (SG) Stuttgart. Die Richter sahen das Skifahren als unversicherte Tätigkeit an. Das Skifahren sei objektiv nicht geeignet gewesen, den Zusammenhalt zwischen den Mitarbeitern zu stärken. Vom Skifahren seien bereits diejenigen Teilnehmer ausgeschlossen, die nicht Skifahren könnten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage seien, diese Betätigung auszuüben. Hinzu komme, dass Skifahren mit nicht unerheblichen Verletzungsgefahren verbunden sei. Daher sei nach objektiven Kriterien davon auszugehen, dass ein Teil der Belegschaft auch aus diesen Gründen hiervon Abstand nehmen werde.

Weiterhin sei während des Skifahrens eine Durchmischung der Belegschaft unmöglich, da nur diejenigen an dieser Veranstaltung teilnähmen, die auch Skifahren könnten. Schließlich stehe, auch wenn Kommunikation beim Skifahren möglich sei, weder diese noch die Gemeinsamkeit im Vordergrund der Tätigkeit.

Quelle | SG Stuttgart, Urteil vom 29.11.2017, S 13 U 4219/16, Abruf-Nr. 204429 unter www.iww.de.