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Monats-Archive: Dezember 2022

Vertragserfüllung: Ehefrau kann vom Ehemann „Abendgabe“ verlangen

Nach dem Grundsatz „Verträge sind zu halten“ muss der Ehemann nach der Scheidung der Ehefrau eine vereinbarte „Abendgabe“ zahlen, also ein Geschenk als Dank für die „erstmalige Hingabe“. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden.

Das war geschehen

Die Eheleute hatten 2006 in Libyen geheiratet. Dabei hatte sich der Ehemann verpflichtet, der Frau anlässlich der Eheschließung eine goldene englische Münze und im Fall einer Scheidung eine sog. „Abendgabe“ von 50.000 US-Dollar zu zahlen. Nachdem das Ehepaar nach Deutschland übergesiedelt war, wurde die Ehe 2021 geschieden. Die Frau verlangte vom Mann, die übernommene Zahlungspflicht zu erfüllen. Das lehnte der Mann ab. Die Klausel über die Abendgabe sei wegen einer Änderung der Verhältnisse anzupassen. Anders als in Deutschland gebe es in ihrem Heimatland keine staatliche Absicherung. Hier in Deutschland sei die Ehefrau auf die Abendgabe nicht mehr angewiesen. Sie lebe jetzt in einem Pflegeheim und habe daher keinen weiteren Versorgungsbedarf.

„Verträge sind zu halten“

Das Amtsgericht (AG) und das OLG sahen das anders: Es gelte der Grundsatz „Verträge sind zu halten“. Eine Vertragsanpassung sei nicht deswegen geboten, weil die Frau jetzt von Sozialleistungen lebe. Sozialhilfe sei eine nachrangige Leistung, die die Bedürftigkeit als solche nicht entfallen lasse. Der Anspruch eines Hilfsbedürftigen, der staatliche Unterstützung erhalte, gegen einen Dritten gehe auf den Staat über. Auch die Tatsache, dass der Mann kein Erwerbseinkommen hat, führe nicht zu einer Vertragsanpassung. Es liege im Risikobereich desjenigen, der eine vertragliche Verpflichtung eingehe, diese später auch erfüllen zu können.

Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 1.6.2022, 13 UF 82/21, PM vom 21.7.2022

Testament: Was darf der Erblasser im Hinblick auf Auflagen regeln?

Der Spielraum des Erblassers für Auflagen ist sehr groß. Sie dürfen an objektiven Kriterien gemessen sinnfrei, sogar unsinnig sein, ohne dass dies allein zu einer Unwirksamkeit führt. Der Erblasser kann sich grundsätzlich also bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit Auflagen ausdenken. Sofern sie nicht gegen die guten Sitten verstoßen und den höchstpersönlichen Bereich des durch die Auflagen Beschwerten nicht tangieren, sind sie wirksam. Dem Erblasser muss es im Wege der grundrechtlich geschützten Testierfreiheit möglich sein, die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten, sodass eine Sittenwidrigkeit nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden kann. Einen solchen schwerwiegenden Ausnahmefall hat das Landgericht (LG) Bochum nun bejaht.

Die spätere Erblasserin setzte ihre Tochter und ihre Enkelin in einem notariellen Testament zu ihren Erben ein. Es störte sie wohl eine außereheliche Beziehung der Tochter. Diese war zwar noch „auf dem Papier“ verheiratet, hatte aber einen neuen Lebenspartner gefunden, mit dem sie teilweise in ihrer Wohnung im Haus der Erblasserin zusammenwohnte. Daher verfügte die Erblasserin in ihrem Testament: „Die Erben haben dafür zu sorgen, dass es Herrn M. (Anm.: der Lebenspartner der Tochter) auf Dauer untersagt wird, das Grundstück … zu betreten. Den Erben ist es darüber hinaus untersagt, das Grundstück oder Teile davon an Herrn M. oder dessen Abkömmlinge zu veräußern, zu verschenken oder auf sonstige Weise zu übertragen.“ Die Auflage sicherte die Erblasserin über eine Testamentsvollstreckung ab. Bei einem Verstoß gegen die Auflage sollte der Testamentsvollstrecker die Immobilie verkaufen und eine Hälfte des Erlöses den Erben und die andere Hälfte einer gemeinnützigen Organisation auskehren.

Die Erben klagten, festzustellen, dass die Auflage nichtig ist. Das LG gab ihnen Recht.

Quelle | LG Bochum, Urteil vom 29.4.2021, 8 O 486/20, Abruf-Nr. 230288 unter www.iww.de