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Arbeitsrecht

Kündigungsrecht: Vergleich im Streit um eine Kündigung wegen eines gezündeten Silvesterböllers

| In einem Kündigungsrechtsstreit wegen eines gezündeten Silvesterböllers haben die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf einen Vergleich geschlossen. |

Der Kläger ist als Logistikmitarbeiter bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Am 31.12.2018 gegen 7.30 Uhr hielt er sich mit anderen Mitarbeitern im Raucherbereich hinter einer Lagerhalle auf. Er zündete einen Knallkörper und warf diesen aus dem Raucherbereich über eine Umzäunung auf das angrenzende Betriebsgelände. Anschließend klagte ein Leiharbeitnehmer der Beklagten über Hörbeeinträchtigungen. Eine ärztliche Untersuchung ergab ein sogenanntes Knalltrauma. Der Leiharbeitnehmer war eine Woche arbeitsunfähig. Daraufhin kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 28.2.2019. Der Betriebsrat hat der Kündigung widersprochen.

Der Arbeitgeber hat behauptet, es habe sich um einen in Deutschland nicht zugelassenen Böller gehandelt, was der Kläger gewusst habe. Der Kläger habe diesen Böller nicht zünden dürfen. Er habe mit der Verletzung des Mitarbeiters rechnen müssen, weil sich außerhalb des Rauchergeländes andere Mitarbeiter aufhalten könnten. Außerdem habe der Kläger wissentlich gegen die Brandschutzvorgaben verstoßen. Der Kläger behauptet, er habe den Bereich, wo der Böller landete, von seinem Standort aus einsehen können. Dort habe sich niemand aufgehalten. Der Leiharbeitnehmer habe hinter ihm gestanden. Es habe sich um einen zugelassenen sog. „D-Böller“ gehandelt, den er von einem Arbeitskollegen erhalten habe. Brandgefahr habe nicht bestanden.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Das LAG schloss sich der Wertung des Arbeitsgerichts an. Es liege zwar eindeutig ein pflichtwidriges Verhalten vor. Aufgrund der konkreten Umstände des Falls sei aber eine Abmahnung ausreichend.

Die Parteien einigten sich in der Verhandlung auf einen Vergleich. Danach erhält der Kläger eine Abfindung und das Arbeitsverhältnis wird unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet.

Quelle | LAG Düsseldorf, 13 Sa 551/19, Termin vom 13.2.2020

Haftungsrecht: Arbeitgeber schuldet Schadenersatz bei fehlerhaften Auskünften

| Der Arbeitgeber hat zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er jedoch Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls haftet der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet. |

Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Arbeitnehmers hin. Der Mann war 2014 in den Ruhestand getreten. Vor dem Hintergrund des Anfang 2003 in Kraft getretenen Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) schloss der öffentliche Arbeitgeber mit einer Pensionskasse einen Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung.

Im April 2003 nahm der Arbeitnehmer an einer Betriebsversammlung teil. Dort informierte ein Fachberater der örtlichen Sparkasse die Arbeitnehmer über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung als Vorsorge über die Pensionskasse. Der Arbeitnehmer schloss im September 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Anfang 2015 ließ er sich seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Für diesen muss der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten.

Mit seiner Klage verlangt der Arbeitnehmer Schadensersatz. Er möchte vom Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge erstattet bekommen. Er meint, der Arbeitgeber habe ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Beitragspflicht auch für Einmalkapitalleistungen informieren müssen. In diesem Fall hätte er eine andere Form der Altersvorsorge gewählt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG Erfolg. Es kann offenbleiben, ob den Arbeitgeber nach überobligatorisch erteilten richtigen Informationen über betriebliche Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung überhaupt weitere Hinweispflichten auf bis zum Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung erfolgende Gesetzesänderungen oder entsprechende Gesetzesvorhaben, die zulasten der Arbeitnehmer gehen, treffen. Jedenfalls setzte eine solche Verpflichtung voraus, dass der Arbeitnehmer konkret über diejenigen Sachverhalte informiert worden ist, die durch die (geplante) Gesetzesänderung zu seinen Lasten geändert wurden. Dies traf im vorliegenden Verfahren nicht zu. Auf der Betriebsversammlung ist über Beitragspflichten zur Sozialversicherung nicht unterrichtet worden. Daher konnte auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagten das Verhalten des Fachberaters der Sparkasse zuzurechnen ist.

Quelle | BAG, Urteil vom 18.2.2020, 3 AZR 206/18, Abruf-Nr. 214264 unter www.iww.de.

Beamtenrecht: Mit Laktose- und Fructoseunverträglichkeit ist man nicht grundsätzlich polizeiuntauglich

| Ein Bewerber für den polizeilichen Vollzugsdienst darf nicht grundsätzlich wegen einer Laktose- und Fructoseunverträglichkeit aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen werden. |

Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz in einem Eilverfahren. Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens für eine Beamtenstelle im mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei legte der Antragsteller einen ärztlichen Entlassungsbrief vor, nach dem er an einer Laktose- und Fructoseunverträglichkeit leide. Der Polizeiarzt schloss daraufhin auf Grundlage der Regelungen in der Polizeidienstvorschrift „Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit“ PDV die Polizeidiensttauglichkeit des Antragstellers aus. Danach seien schwerwiegende, chronische oder zu Rückfällen neigende Krankheiten der Verdauungsorgane als die Polizeidiensttauglichkeit ausschließende Merkmale festgelegt. Unter diese Regelung seien nach Ansicht des Polizeiarztes auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Laktose- und Fructoseunverträglichkeit zu fassen. Es handele sich hierbei um unzureichende Verdauungsleistungen, die eine Krankheit darstellten und die ordnungsgemäße Durchführung des Polizeivollzugsdienstes hinderten. Insbesondere seien negative Auswirkungen auf die Berufsausübung bei Einsätzen zu erwarten, an denen der Antragsteller an Gemeinschaftsverpflegungen teilnehme. Auf dieser Grundlage wurde der Bewerber nicht zum Bewerbungsverfahren zugelassen.

Zu Unrecht, wie das VG entschied. In seinem Eilbeschluss führt das Gericht aus, der Antragsgegner habe es unterlassen, hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Antragstellers für das angestrebte Amt eine ausreichende Prognoseentscheidung zu treffen. Diese Prognose erfasse den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Zwar könne der Antragsgegner im Rahmen seines ihm zustehenden Einschätzungsspielraums die körperlichen Anforderungen für die Bewerber des Polizeivollzugsdienstes festlegen. Die Unverträglichkeiten des Antragstellers seien jedoch nicht ausdrücklich in der zugrunde gelegten PDV geregelt. Hinzu komme, dass der Antragsteller aktuell uneingeschränkt dienstfähig sei. In der deshalb erforderlichen Prognoseentscheidung sei die konkrete Situation des Antragstellers zu berücksichtigen. Dieser habe ärztliche Befunde vorgelegt, wonach er Lebensmittel wie Joghurt, Quark und Käse ohne Probleme vertrage und ohne medikamentöse Behandlung eine persönliche Toleranzschwelle für Fruktose und Lactose gefunden habe. Dieser Befundbericht sei geeignet, die Ausführungen des Polizeiarztes zu erschüttern. Da das Gericht die fehlerhafte Prognoseentscheidung mangels hinreichender Entscheidungsgrundlagen nicht ersetzen könne, sei der Antragsteller vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zum Auswahlverfahren für den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei zuzulassen.

Gegen die Entscheidung wurde Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz erhoben.

Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 23.8.2019, 2 L 802/19.KO, Abruf-Nr. 214114 unter www.iww.de.

Gleichbehandlung: „Mobbing“ wegen ostdeutscher Herkunft ist keine Benachteiligung im Sinne des AGG

| Die Herabwürdigung eines Mitarbeiters wegen seiner ostdeutschen Herkunft ist keine Benachteiligung im Sinne des § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen der ethnischen Herkunft oder Weltanschauung. |

Dies hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden. Der Kläger wurde von einem Zeitungsverlag als stellvertretender Ressortleiter beschäftigt. Er hat den Arbeitgeber auf Entschädigung, Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen, weil er von zwei vorgesetzten Mitarbeitern wegen seiner ostdeutschen Herkunft stigmatisiert und gedemütigt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe keine Entschädigung nach dem AGG zu, weil keine Benachteiligung wegen seiner ethnischen Herkunft oder Weltanschauung erfolgt sei. Menschen ostdeutscher Herkunft seien nicht Mitglieder einer ethnischen Gruppe oder Träger einer einheitlichen Weltanschauung.

Einen Schadenersatzanspruch wegen einer Persönlichkeits- oder Gesundheitsverletzung hat das Arbeitsgericht abgelehnt, weil der Kläger den Arbeitgeber nicht rechtzeitig auf das Verhalten seiner Vorgesetzten und die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens es waren ca. 800.0000 EUR im Streit aufmerksam gemacht hatte. Das Mitverschulden des Klägers an dem einmal angenommenen Schaden wiege derart schwer, dass eine Ersatzpflicht des Arbeitgebers entfalle.

Quelle | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15.8.2019, 44 Ca 8580/18, Abruf-Nr. 211619 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Das Haftungsprivileg des Arbeitgebers beim Ersatz eines Personenschadens

| Zugunsten des Arbeitgebers greift gegenüber dem Schadensersatzverlangen eines Beschäftigten, der infolge eines Versicherungsfalls einen Personenschaden erlitten hat, das Haftungsprivileg nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ein. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder es sich um einen versicherten Weg (Wegeunfall) handelt. Für die Annahme der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls ist ein „doppelter Vorsatz“ erforderlich. Der Vorsatz des Schädigers muss sich nicht nur auf die Verletzungshandlung, sondern auch auf den Verletzungserfolg beziehen. |

Auf diese Grundsätze verwies das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer Frau, die seit vielen Jahren als Pflegefachkraft in einem Seniorenpflegeheim beschäftigt war. Das Gebäude des Seniorenpflegeheims hat zwei Eingänge, einen Haupt- und einen Nebeneingang. An beiden Eingängen befinden sich Arbeitszeiterfassungsgeräte. Der Haupteingang ist beleuchtet, der Nebeneingang nicht. Im Dezember 2016 erlitt die Klägerin kurz vor Arbeitsbeginn um etwa 7:30 Uhr einen Unfall auf einem Weg, der sich auf dem Betriebsgelände des Seniorenpflegeheims befindet und dort zum Nebeneingang führt. Es war noch dunkel, als sie ihr Fahrzeug auf einem Parkplatz außerhalb des Betriebsgeländes abstellte und sich zu Fuß zum Nebeneingang begab. Kurz bevor sie diesen erreichte, rutschte sie auf dem Weg aus. Dabei erlitt sie eine Außenknöchelfraktur. Bei dem Unfall der Klägerin handelte es sich um einen Versicherungsfall im Sinne des SGB VII; die Klägerin erhielt Verletztengeld. Die Klägerin hat von ihrem Arbeitgeber Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte auch vor dem BAG keinen Erfolg. Der Arbeitgeber hatte den Versicherungsfall, der kein Wegeunfall war, sondern sich auf dem Betriebsgelände des Seniorenpflegeheims ereignete, nicht vorsätzlich herbeigeführt. Die dahin gehende Würdigung des Landesarbeitsgerichts war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle | BAG, Urteil vom 28.11.2019, 8 AZR 35/19, Abruf-Nr. 213543 unter www.iww.de.

Eingruppierung: Eingruppierung bei einer gemischten Tätigkeit

| Verrichtet der Arbeitnehmer teils die Tätigkeit von gewerblichen Arbeitnehmern und teils die Tätigkeit von Angestellten, so ist für die Einordnung der gemischten Tätigkeit entscheidend, welche der Tätigkeiten dem Arbeitsverhältnis in seiner Gesamtheit das Gepräge gibt. |

Dabei kommt es nach einer Entscheidung des LAG Niedersachsen nicht auf den Zeitaufwand der Einzelarbeiten, sondern auf eine umfassende Betrachtung an.

Beispiel | Geben Verkaufs- und Kassiertätigkeiten oder auch allgemeine Aufgaben der Bestellabwicklung, die grundsätzlich eher als Angestelltentätigkeiten angesehen werden, der gesamten tatsächlich verrichteten Tätigkeit nicht das Gepräge, sondern ist die Tätigkeit vorwiegend körperlich ausgestaltet, ist diese als gewerbliche einzustufen.

Quelle | LAG Niedersachsen, Beschluss vom 12.8.2019, 8 TaBV 19/19, Abruf-Nr. 212326 unter www.iww.de.

Kündigungsrecht: Körperliche Misshandlung von Heimbewohnern durch zwangsweises Waschen

| Eine körperliche Misshandlung von Heimbewohnern ist typischerweise geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Einsatz von Zwang und Gewalt gegen einen Heimbewohner ist eine Misshandlung, die je nach den Umständen des Einzelfalls ein unterschiedliches Gewicht haben kann. Eine schwerwiegende Misshandlung liegt vor, wenn einem Heimbewohner Schmerzen oder Verletzungen zugefügt werden, beispielsweise durch Schläge, Stöße, grobes Zufassen. |

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern. In dem betreffenden Fall hatten zwei Pflegekräfte einen demenzkranken Heimbewohner zwangsweise gewaschen und rasiert, obwohl dieser sich massiv gewehrt hatte. Dies sei nach Ansicht des LAG trotz der hygienischen Gründe regelmäßig eine körperliche Misshandlung. Auch diese könne zu einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung berechtigen.

Quelle | LAG, Urteil vom 19.11.2019, 5 Sa 97/19, Abruf-Nr. 213449 unter www.iww.de.

Gesetzliche Unfallversicherung: Kein bisschen angestaubt: Sicherheitsbeauftragte werden heute genauso gebraucht wie vor 100 Jahren

| Seit über einhundert Jahren gibt es in deutschen Betrieben die „Sicherheitsbeauftragten“, die sich um Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit kümmern. 1919 beschloss der Verband der Deutschen Berufsgenossenschaften in allen größeren Betrieben dieses neue Ehrenamt einzuführen damals hieß es noch Unfallvertrauensmann. |

Hintergrund dieser Neuerung war die hohe Zahl der Arbeitsunfälle in jener Zeit. Das Jahr 1917 brachte einen traurigen Rekord: 7904 tödliche Arbeitsunfälle wurden aus deutschen Betrieben gemeldet so viele wie nie zuvor und danach. Wie konnte die Unfallgefahr gemindert werden? Die bereits bestehenden Kontrollen reichten offenbar nicht aus.

Die Beschäftigten eines Betriebs sollten deshalb eine „Vertrauensperson“ wählen, die „sich von dem Vorhandensein und der ordnungsgemäßen Benutzung der vorgeschriebenen Schutzvorrichtung fortlaufend zu überzeugen, vorgefundene Mängel dem Betriebsleiter zu melden, aufgrund ihrer Erfahrungen und Beobachtungen selbst Vorschläge zur Verbesserung der Schutzvorrichtungen zu machen, auch das Interesse ihrer Arbeitsgenossen für den Unfallschutz zu wecken, sowie den mit der Überwachung betrauten staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Aufsichtsbeamten bei Betriebsbesichtigungen zu begleiten“ (*) habe.

Diese ‚Vertrauensperson‘, die im Betrieb Ansprechpartner ist für alle Fragen von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, gibt es bis heute. Hat ein Unternehmen mehr als 20 Beschäftigte, sind Unternehmerinnen und Unternehmer dazu verpflichtet, Sicherheitsbeauftragte zu bestellen. „Aktuell leisten 670.000 Sicherheitsbeauftragte ihren Beitrag zum Arbeitsschutz in Deutschland“, sagt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): „Sie verankern Sicherheit und Gesundheit im Betrieb und sind Seismographen für Probleme oder akut auftretende Gefährdungen. Das macht ihre Arbeit so wertvoll für den Arbeitsschutz. Wir freuen uns deshalb, dass so viele Sicherheitsbeauftragte an unseren Fortbildungen teilnehmen.“

Das Aufgabenspektrum der Sicherheitsbeauftragten hat sich in den letzten 100 Jahren allerdings stark gewandelt so wie die Arbeitswelt selbst. Stand im Jahr 1919 noch die praktische Unfallverhütung im Mittelpunkt, gewinnen heute Fragen von Gesundheitsschutz und der Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren an Bedeutung. Neben der fachlichen Qualifikation werden methodische und soziale Kompetenzen immer wichtiger. Aus dem Sicherheitsbeauftragten ist ein Beauftragter oder eine Beauftragte für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit geworden.

Geblieben ist bei allem Wandel die besondere Qualität dieses Amtes: Die Sicherheitsbeauftragten sind ansprechbar für Kolleginnen und Kollegen, sie können unmittelbar auf Mängel hinweisen und ihre Ideen für mögliche Verbesserungen einbringen. Für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb sind sie auch heute unverzichtbar.

(*) Niederschrift über die Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses des Verbandes der Deutschen Berufsgenossenschaften am 20. Oktober 1919. In: Die Berufsgenossenschaft. Zeitschrift für die Reichs-Unfallversicherung, Ausgabe 1/1920, S. 5

Quelle | Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)

Vertragsrecht: Muss eine Partei keine Leistung erbringen, liegt kein Arbeitsvertrag vor

| Eine Vereinbarung, wonach die eine Partei eine Zahlung leisten muss, für die die andere Partei nach ausdrücklicher Vereinbarung gerade keine Leistung erbringen muss, ist kein Austauschvertrag und damit auch kein Dienstvertrag und kein Arbeitsvertrag. |

Diese Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf. Schließen die Vertragsparteien den bewusst und gewollt auf die Vereinbarung einer solch einseitigen Leistungsverpflichtung gerichteten Vertrag gleichwohl unter der Bezeichnung „Arbeitsvertrag“ ab, so handelt es sich um ein Scheingeschäft. Dieses ist gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 2.8.2019, 10 Sa 1139/18, Abruf-Nr. 211902 unter www.iww.de.

Kündigungsrecht: Fristlose Kündigung der telefonierenden Reinigungskraft

| Unterbricht eine Reinigungskraft in erheblichem Umfang ihre Arbeit, um in den zu reinigenden Büros mit den dort installierten dienstlichen Telefonen privat zu telefonieren und ausgiebig Zeitschriften zu lesen, kann dies eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. |

Hierauf wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hin. Voraussetzung sei allerdings eine einschlägige Abmahnung. Die Arbeitnehmerin sei hier zwar nicht wegen Telefonaten oder Zeitunglesen abgemahnt worden. So eng müsse die Abmahnung aber auch nicht gefasst sein. Sie sei vielmehr in einer vorherigen Abmahnung aufgefordert worden, unmittelbar nach Anmeldung im Zeiterfassungssystem die Arbeit aufzunehmen. Diese Abmahnung behandelt grundsätzlich einen Sachverhalt, in welchem die Arbeitszeit der Arbeitnehmerin bereits lief und diese dennoch noch keine Reinigungsarbeiten vorgenommen hatte. Für die Warnfunktion der Abmahnung genügt, dass die Pflichtverletzungen aus demselben Bereich stammen und der Arbeitnehmer bei gehöriger Sorgfalt erkennen konnte, dass der Arbeitgeber ein neuerlich störendes Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern eventuell mit einer Kündigung reagieren werde .

Mit dieser Abmahnung wurde der Arbeitnehmerin ausreichend deutlich vor Augen geführt, dass die unterbliebene sofortige Aufnahme der Arbeit nach Anmeldung im Zeiterfassungssystem als ein kündigungsrechtlich relevantes Arbeitszeitvergehen gewertet wird. Ein solches liegt auch bei Einstellung der Arbeitstätigkeit während der Arbeitsschicht und zu deren Ende vor. Insoweit macht es für die kündigungsrechtliche Bewertung der Einstellung der Arbeitstätigkeit keinen Unterschied, wann innerhalb der Arbeitsschicht die beanstandete Arbeitsbummelei erfolgte.

Quelle | LAG Nürnberg, Urteil vom 20.2.2019, 4 Sa 349/19, Abruf-Nr. 212557 unter www.iww.de.